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Bevor ich sterbe

Bevor ich sterbe

Titel: Bevor ich sterbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Downham
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es hat immer noch ein eigenes Bad.«
    »Gut. Wir nehmen es.«
    Wir gehen hinter ihr her nach oben. Ihren ausladenden Hintern schwingt sie beim Gehen hin und her. Ich frage mich, wie es wohl wäre, sie zur Mutter zu haben.
    »Da sind wir«, sagt sie, während sie die Tür öffnet. »Wir haben alles komplett neu renoviert, deshalb sieht es bestimmt anders aus.«
    Allerdings. Das Himmelbett nimmt den meisten Platz ein. Es ist hoch, altmodisch und mit Samtvorhängen.
    »Wir kriegen hier viele Pärchen in den Flitterwochen«, erklärt die Frau.
    »Großartig!«, knurrt Zoey.
    Das sonnige Zimmer, in dem ich immer im Sommer aufgewacht bin, ist kaum wiederzuerkennen. Da, wo das Etagenbett war, steht jetzt ein Tisch mit einem Wasserkocher und Teesachen. Das Bogenfenster erkenne ich allerdings wieder, und den Wandschrank an einer Seite.
    »Dann lasse ich Sie jetzt allein«, sagt die Frau.
    Zoey kickt ihre Schuhe von den Füßen und stemmt sich auf das Bett hoch. »Dies Zimmer kostet siebzig Pfund die Nacht!«, sagt sie. »Hast du überhaupt irgendwelches Geld dabei?«
    »Ich wollte nur gucken.«
    »Bist du verrückt geworden?«
    Ich klettere neben sie auf das Bett. »Nein, aber das hört sich jetzt blöd an, wenn ich’s dir sage.«

    Sie stützt sich auf einen Ellbogen und mustert mich misstrauisch. »Versuch’s doch mal.«
    Also erzähle ich ihr von meinem letzten Sommer, in dem ich hier war, als Mum und Dad sich mehr als je zuvor stritten. Wie Mum eines Morgens zum Frühstück nichts essen wollte, sagte, sie habe die Würstchen und Dosentomaten satt und dass es billiger gewesen wäre, nach Benidorm zu fliegen.
    »Dann hau doch ab«, sagte Dad. »Schick uns’ne Karte, wenn du ankommst.«
    Mum nahm mich an der Hand, und wir gingen nach oben in das Zimmer. »Komm, wir verstecken uns vor ihnen«, sagte sie. »Wird das nicht lustig?« Ich war richtig aufgeregt. Sie hatte Cal bei Dad gelassen und mich ausgewählt.
    Wir versteckten uns im Wandschrank.
    »Hier findet uns niemand«, sagte sie.
    Und so war es dann auch, obwohl, ich war mir nicht sicher, ob überhaupt irgendwer nach uns suchte. Wir hockten halbe Ewigkeiten da drin, bis Mum irgendwann rauskrabbelte und einen Stift aus ihrer Tasche holte, mit dem sie wiederkam und sehr sorgfältig ihren Namen an die Innenseite der Schranktür schrieb. Dann reichte sie mir den Stift, und ich schrieb meinen Namen daneben.
    »Da«, sagte sie. »Auch wenn wir nie wiederkommen, werden wir immer hier sein.«
    Zoey beäugt mich zweifelnd. »Und das war’s? Die ganze Geschichte?«
    »Das war’s.«
    »Du und deine Mum, ihr habt eure Namen in einen Schrank geschrieben, und du musstest sechzig Kilometer weit fahren, um mir das mitzuteilen?«
    »Wir verschwinden alle paar Jahre, Zoey. Alle unsere Zellen werden durch andere ersetzt. Kein noch so kleines Stückchen von mir ist noch genauso wie damals, als ich zuletzt in diesem
Zimmer war. Ich war jemand anderes, als ich meinen Namen da reingeschrieben hab, jemand Gesundes.«
    Zoey setzt sich auf. Sie sieht aufgebracht aus. »Wenn dein Name also noch da steht, dann ist das deine Wunderheilung, wie? Und wenn nicht, was dann? Hast du nicht gehört, wie diese Frau gesagt hat, sie haben alles renoviert?«
    Ich mag es nicht, wenn sie mich anschreit. »Kannst du mal im Schrank nachsehen, Zoey?«
    »Nein. Du hast mich hierher geschleift, obwohl ich gar nicht wollte. Ich fühl mich wie Scheiße, und jetzt das – ein dämlicher Wandschrank! Nicht zu fassen.«
    »Warum bist du so wütend?«
    Sie krabbelt vom Bett runter. »Ich hau ab. Du machst mich noch ganz meschugge, wie du andauernd nach Zeichen suchst.« Sie schnappt sich ihren Mantel, wo sie ihn neben der Tür fallen gelassen hat, und zwängt sich ruckartig hinein. »Du redest in einer Tour über dich selber, als wärst du der einzige Mensch auf der Welt, dem was fehlt. Wir sitzen alle im selben Boot, weißt du. Wir werden geboren, wir essen, wir scheißen, wir sterben. Schluss, aus, fertig!«
    Ich weiß nicht, was ich machen soll, wenn sie so laut rumschreit. »Stimmt was nicht mit dir?«
    »Dasselbe«, ruft sie, »könnte ich dich fragen!«
    »Mit mir ist alles in Ordnung, abgesehen vom Offensichtlichen.«
    »Dann ist bei mir auch alles bestens.«
    »Nein, das stimmt nicht. Sieh dich doch an.«
    »Wie, sieh mich an? Wie seh ich denn aus?«
    »Traurig.«
    Sie zögert an der Tür. »Traurig?«
    Ein furchtbares Schweigen kommt auf. Mir fällt ein kleiner Riss in der Tapete über ihrer Schulter auf.

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