Bewahre meinen Traum
einer Frau hervor. Es kann einfach in ihrer Natur liegen. Oder an der Art, wie sie erzogen wurde. Die zu beschützen, die man liebt, ist nichts Schlimmes.“
„Da stimme ich zu.“ Er sah sie mit einem merkwürdigen Ausdruck im Gesicht an.
Nina hätte nicht sagen können, warum, aber mit einem Mal verspürte sie so etwas wie Mitgefühl für ihn – das sie in der nächsten Sekunde aber gleich wieder zu leugnen versuchte. Lass mich mit deinen Problemen in Ruhe, dachte sie.
Die Ironie an der Sache war, dass es dafür schon zu spät war. Sie hatte noch keine Nacht auf dem Grundstück verbracht, doch sie hatte schon das Gefühl, ihr beider Leben würde sich auf unerwartete Weise miteinander verbinden. Sie hätte es besser wissen müssen, hätte wissen müssen, dass es nicht ihrer Natur entsprach, Gregs Sorgen zu ignorieren. Als Bürgermeisterin hatte sie sich um die Probleme einer ganzen Stadt gekümmert. Kein Wunder, dass sie sich berufen fühlte, auch hier einzugreifen.
Die Gedanken an Daisy brachten Nina in ihre eigene Jugend zurück. Auch wenn Ninas Zustand damals alle erwarteten Reaktionen hervorgerufen hatte – Scham und Sorge und Reue –, hatte er auch Ninas innere Kräfte ans Tageslicht gebracht. Nachdem sie nur eine mittelmäßige Schülerin gewesen war, fand sie perverserweise nun etwas, in dem sie gut war: schwangerer Teenager zu sein.
Anstatt sich davon niederdrücken zu lassen, machte sie sich daran, ihre Unabhängigkeit zu beweisen. Das Baby war die Motivation, die sie benötigte, um endlich gut in der Schule zu sein. Anstatt ihres bisherigen Dreierdurchschnitts schrieb sie nur noch Einsen und Zweien. Sie ließ sich in die Schülervertretung wählen, weil sie ein Mitspracherecht haben wollte, wie die Kita der Schule geführt wurde. Sie verpasste keinen einzigen ihrer Vorsorgetermine, lernte alles über die fötale Entwicklung und darüber, wie man sich als Schwangere am besten ernährt und verhielt. Mit mühsam erkämpfter Geduld hörte sie Father Reilly zu, der sie ermahnte, das Kind zur Adoption freizugeben, obwohl sie wusste, dass das nie passieren würde. Zum einen bräuchte sie dafür die Zustimmung des Kindsvaters, aber das stand außer Frage. Und zum anderen hatte sie eine beinahe spirituelle Verbindung zu ihrem Baby. Sie war nie verliebt gewesen, aber sie wusste, dass das Liebe in ihrer reinsten Form war, die sie nie aufgeben würde. Dafür widmete sie der Beraterin an der Schule, Mrs Jarvis, ihre volle Aufmerksamkeit, als die über Budgets, Zeitpläne und die Furcht einflößende Verantwortung sprach, die es mit sich brachte, für ein anderes menschliches Wesen verantwortlich zu sein.
Trotz der Tatsache, dass sie aufgeblüht war, litt Nina noch immer unter den Folgen der unglaublichen Opfer, die sie gebracht hatte. Keine Verabredungen oder Discobesuche, kein Klassenausflug im letzten Schuljahr, keine gemeinsame Abschlussfeier mit ihrer Klasse. Der Schulausflug war nach Washington, D. C., gegangen, weshalb es für Nina so wichtig gewesen war, mit Sonnet dorthinzufahren.
Nina hatte versucht, nicht auf den Klatsch zu hören und die Spekulationen zu ignorieren, wer wohl der Vater ihres Kindes sei. Sie weigerte sich, den Schwarzmalern Glauben zu schenken, die erklärten, wie schwierig es selbst für verheiratete Erwachsene war, ein Kind aufzuziehen. Für einen Teenager allein war es unmöglich – so sagten zumindest die Leute.
Aber für Nina wurde dieses Baby zu einem Ziel, einer Mission, zu etwas, das ihrem Leben eine Form und einen Sinn gab. Sicher, es versetzte ihr einen schmerzhaften Stich zu sehen, wie ihre Freunde zu Schulbällen oder ins Kino gingen, aber sie überstand diese Augenblicke der Reue, indem sie sich etwas Nützliches beibrachte, wie zum Beispiel den Impfplan eines Babys. Sie baute ganz alleine eine Wiege. Noch bevor sie überhaupt den Führerschein hatte, wusste sie, wie man einen Kindersitz einbaut. Sie belegte an der Schule Kurse in Finanzwesen und Sozialpolitik, weil ihr diese Dinge auf einmal wichtig waren. Sie brachte ein Kind auf die Welt, also wollte sie, dass sie Welt besser würde, als sie jetzt war.
Nina versuchte jetzt, Greg diese Dinge zu erklären. Sie wollte ihm Zuversicht geben. Und warum, fragte sie sich, will ich das? Weil sie sich trotz der Situation dabei ertappte, dass sie ihn mochte.
„Ich nehme an, dass Daisy gerade etwas Ähnliches durchmacht“, schloss Nina. „Einige Dinge ändern sich nie. Alle ihre Freunde gehen aufs College oder treten
Weitere Kostenlose Bücher