Bewahre meinen Traum
bedeutete Baseball für ein Kind wie ihn in einer Stadt wie dieser alles. Sie konnte den Herzschmerz in seinen Augen sehen. Er liebt Baseball. Die einzige Zeit, in der er still saß, war während eines Spiels. Sein Zimmer war ein wahrer Schrein an Erinnerungsstücken, Andenken, Wimpeln und Programmheften. Er besaß Hunderte Baseballkarten und hatte sie alle auswendig gelernt. „Willst du darüber reden?“, fragte sie.
„Nein.“ Er starrte auf den Boden. „Du bist nicht meine Mutter.“
„Tja, weißt du was? Ich will auch in keinster Weise deine Mutter sein. Und das ist wirklich pures Glück für dich, denn wenn ich es denn wäre, würde ich dir jetzt ordentlich die Ohren lang ziehen, weil du diese teure Ausrüstung kaputtgemacht hast. Aber wenn du mal mit jemandem reden willst …“
„Alle wollen immer nur reden“, gab er wütend zurück. „Mein Dad und meine Schwester. Die Schlimmste ist meine Mom. Immer nur reden, reden, reden.“ Er versetzte seiner Trainingstasche einen Tritt. „Ich nehme das zurück. Dr. Barnes ist der Schlimmste.“ Max nahm einen Baseball in die Hand und schleuderte ihn in die Bäume. Das Kind hatte einen guten Wurf.
Dr. Barnes war der Familienberater, den Max jede Woche aufsuchte. „Warum ist er der Schlimmste?“, wollte Nina wissen.
„Er will, dass ich an meinen Problemen arbeite und angemessene Strategien finde, um meine heftigen Gefühle in den Griff zu bekommen“, zitierte Max den Therapeuten, während er einen weiteren Ball warf.
„Und, wie kommst du damit voran?“, fragte Nina.
Er funkelte sie an.
„Warum hast du mit dem Baseball aufgehört?“
„Weil Coach Broadbent ein Idiot ist.“
Sie kannte Jerry Broadbent. Max lag mit seiner Einschätzung nicht so verkehrt. Dennoch … „Mit so einem Mundwerk ist es kein Wunder, dass er es dir schwer macht. Hat der Coach dir gesagt, dass du aus dem Team raus bist?“
„Ich bin in Baseball eine Niete“, platzte es aus Max heraus. „Ich bin der Schlechteste im Team.“
„Das verstehe ich nicht. Du bist stark und schnell. Du kannst werfen. Du kennst das Spiel besser als jedes Kind, das ich je getroffen habe. Du bist ein ausgesprochen guter Sportler, Max.“
„Ja, erzähl das mal Broadbent.“
„Du übst doch regelmäßig mit deinem Dad.“
„Das ist nicht das Gleiche, wie wirklich auf dem Spielfeld zu stehen. Ich hasse es, jede verfickte Minute angebrüllt zu werden.“
„Mal sehen, ob ich das richtig verstehe. Du magst das Spiel, bist aber schlecht darin.“ Sein Gesichtsausdruck bestätigte ihre Annahme. „Wenn man etwas liebt, dann findet man auch einen Weg, es zu genießen. Lass dir das weder vom Coach noch von deinen Mitspielern wegnehmen. Was denkt dein Vater darüber?“
„Er interessiert sich einen Sch…, gar nicht dafür“, sagte Max.
„Irgendwie klingt das gar nicht nach ihm.“
Max zuckte mit den Schultern. „Ich habe die letzten beiden Spiele auf der Bank verbracht. Wenn ich nicht spiele, kann ich genauso gut aufhören.“
Während Nina ihn beobachtete, spürte sie in sich ein hitziges, elementares Gefühl aufsteigen – mütterliche Empörung. Nein, sie war in der Tat nicht seine Mutter, aber er berührte sie zutiefst, dieser Junge, der so sehr versuchte, tapfer zu sein und seinen Vater nicht zu enttäuschen. Und Broadbent. Er war älter als Staub. Älter als die Felsen. Und offensichtlich war er heutzutage noch genauso unerträglich wie damals zu den Zeiten ihrer Brüder. Es juckte Nina in den Fingern, ihn anzurufen und ihm mal ordentlich die Meinung zu sagen. Eine Frau würde allen Schmerz der Welt ertragen, wenn nötig, aber ein verstörtes Kind weckte den Bären in ihr. Warte nur.
Sie spürte, das weit mehr dahintersteckte, als er ihr erzählt hatte. Es lag nicht an seiner Sportlichkeit oder seinen Fähigkeiten. Hier ging es um etwas ganz anders. Max’ Vater war hauptsächlich mit Daisy beschäftigt. Max selber war gerade von einem mehr als unglücklichen Ausflug zu seiner Mutter heimgekehrt. Nina nahm an, dass beim Training der Knoten geplatzt war.
Sie schaute auf die Uhr. Sie hatte innerhalb der nächsten zwanzig Minuten mindestens dreißig Dinge zu tun, sie hatte keine Zeit hierfür. Aber dann fiel ihr Blick auf das trotzig gereckte Kinn von Max, und sie hörte sich selber sagen: „Komm mit. Ich möchte dich mit jemandem bekannt machen.“ Sie wollte Max natürlich nicht für seinen Ausbruch belohnen, aber er musste mit eigenen Augen sehen, wie ein echtes Team funktioniert,
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