Bewahre meinen Traum
dass es nicht von Wut angetrieben wurde.
Er machte ein finsteres Gesicht und gab sich verstockt, und ihr fiel wieder ihre lange To-do-Liste ein. „Jetzt, Max“, befahl sie und merkte, wie der scharfe Ton ihn sofort einknicken ließ. Er folgte ihr zu ihrem Auto.
Während der Fahrt kamen vertraute Gefühle in ihr hoch. Sie konnte einfach nicht anders – bei Max fühlte sie sich wie eine Mutter. Er weckte diesen Beschützerinstinkt in ihr, und es fühlte sich gut und klar und richtig an, auch wenn sie sich immer wieder sagte, dass sie das hinter sich hatte und nicht noch einmal durchmachen wollte.
Schweigend fuhren sie zu den Spielfeldern am Rande der Stadt. Auf dem Kiesparkplatz hielt sie an, stellte den Motor ab und drehte sich um, um Max’ Gesicht zu sehen. Eine Mischung aus Vorsicht und Ungeduld zeigte sich darauf.
„Komm, ich will, dass du Dino kennenlernst.“
„Dino Carminucci? Hör auf!“
Nina musste lächeln. Seine Laune war wie Quecksilber.
„Komm schon.“
„Du kennst ihn?“ Max konnte es nicht glauben. „Persönlich und so? Ich kann nicht glauben, dass du ihn kennst.“
Dino war die größte politische Gefälligkeit ihrer Karriere. Dank etwas, das ihr Vater zwanzig Jahre zuvor getan hatte, hatte Dino sein Team in diese Stadt gebracht. Und nun stand Nina kurz davor, noch einen Gefallen einzufordern. Sie blieb stehen und wandte sich an Max. „Hör zu. Ich möchte, dass du weißt, es ist nicht in Ordnung, so auszuflippen, wie du es heute getan hast. Jeder wird mal böse, aber mit Dingen um sich zu werfen ist nicht die Lösung. Du könntest jemandem oder dir selber wehtun oder etwas zerbrechen, und das ist nicht okay.“
Sein Gesicht war ganz weich vor Reue, aber er hielt den Blickkontakt. „Du hast recht.“
„Ich will nur sichergehen, dass du das hier nicht als Belohnung für deinen Wutausbruch ansiehst.“
„Wer hatte einen Wutausbruch?“, fragte Dino, der gerade von der Spielerbank kam. „Ich wette, das war nur ein wenig überschüssige Energie.“ Das war seine Gabe – dieses sofortige Verständnis für einen unter Strom stehenden Jungen. Sie wusste, dass Max bei ihm in guten Händen war.
10. TEIL
Damals
Die Stadt Avalon ist bekannt für ihren Gemeinsinn, der tief in der Geschichte wurzelt. Als die in der Nähe gelegene Stadt Kingston während der Amerikanischen Revolution von den britischen Truppen niedergebrannt wurde, öffnete Avalon seine Pforten für die Flüchtlinge und bot ihnen einen sicheren Zufluchtsort vor den Angreifern. Heute hingegen finden die Besucher ihre Helden eher auf den Baseballfeldern.
„Da beim Baseball einzig die Outs gezählt werden“, schrieb einst der amerikanische Essayist Roger Angell im New Yorker , „muss man einfach nur zutiefst erfolgreich sein; einfach weiterschlagen, weiterlaufen, und schon hat man die Zeit besiegt. Man bleibt für immer jung.“
21. KAPITEL
B ürgermeisterin Romano?“
Die Stimme der Sekretärin kam knackend aus der Gegensprechanlage auf Ninas Schreibtisch. Nina fuhr erschreckt hoch, nicht weil die Stimme Furcht einflößend war, sondern weil sie gerade zutiefst konzentriert gearbeitet hatte. Die letzte Bilanz der Stadtfinanzen war kein schöner Anblick, und das machte sie verrückt, weil sie und der Stadtrat alles nur mögliche getan hatten, um das Ergebnis zu verbessern. Irgendwo gab es ein Leck, doch niemand schien es finden zu können. Nach der Hälfte ihrer Zeit als Bürgermeisterin hatte sie unzählige Arten entdeckt, auf die etwas schiefgehen konnte.
Sie holte tief Luft, um ihren Kopf freizumachen, und drückte dann den Knopf der Gegensprechanlage. „Ja, Gayle?“
„Sie haben Besuch – Ihren Vater.“
„Oh!“ Nina sprang auf und fuhr sich mit der Hand ordnend durch die Haare. „Schicken Sie ihn rein.“
Sekunden später schwang die Tür auf, und Pop stand in ihrem Büro. „Ich bin ein bisschen früh“, sagte er. „Ich hoffe, das macht dir nichts aus.“
Sie schloss die Datei mit den Finanzen auf ihrem Computer. „Nein, ganz und gar nicht. Ich muss nur noch schnell ein paar Sachen zusammensuchen.“ Hastig packte sie einige ausgedruckte Berichte und Schriftwechsel in eine Jutetasche. Dann klappte sie einen Taschenspiegel auf und überprüfte ihre Frisur. Einige ihrer Kritiker hatten sie „Hippie-Bürgermeister“ genannt, was absoluter Schwachsinn war, aber seitdem achtete sie extrem darauf, wie sie sich anzog und ihre Haare trug. Sie hatte Dino Carminucci bisher noch nicht persönlich
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