Bewahre meinen Traum
zu treffen, in dem es stattliche, Schatten spendende Bäume, gepflegte Grünflächen und einen gut ausgestatteten Spielplatz gab. Als der vereinbarte Zeitpunkt näher rückte, waren Ninas Nerven so angespannt, dass es körperlich schmerzte. Sie saß auf einer Bank neben der Statue von George Washington Goethals, West Point Absolvent von 1880. Er hatte unter anderem den Panamakanal entworfen und gebaut. Nina hatte die Erinnerungsplakette am Sockel schon ein Dutzend Mal gelesen und wusste für ihren Geschmack jetzt viel zu gut über Colonel Goethals Bescheid.
„Guck mal, Mama, guck mal!“, rief Sonnet, die auf einem Wackelpferd wild vor und zurück schaukelte, während Jenny danebenstand und auf sie aufpasste.
„Wow“, rief Nina quer über den Spielplatz zurück. „Du bist ja ein richtiges Cowgirl.“ Sie versuchte, nicht zu abwesend zu klingen, aber was sollte sie tun? Das hier war die letzte Gelegenheit, den Vater ihres Kindes zu treffen, bevor er seinen Einberufungsbefehl bekam und auf seinen ersten Einsatz geschickt wurde, der ihn vielleicht nach Übersee verschlagen würde. Sie umklammerte die Kante der Bank, auf der sie saß, ganz fest, um sich selber davon abzuhalten, aufzustehen und wegzulaufen. Sich einfach Sonnet zu schnappen, sie in ihren Kindersitz des alten Ford LTD zu schnallen und so schnell wegzufahren, wie sie nur konnte.
Nein. Sie befahl sich, sitzen zu bleiben. Um Sonnets Willen musste sie das hier durchziehen. Keinem Kind sollte der Vater vorenthalten werden. Sonnet kam langsam in das Alter, in dem sie Fragen stellte, und Nina wollte sie nicht anlügen oder ihren Fragen ausweichen.
Nina war unruhig, sie konnte nicht länger sitzen bleiben. Also stand sie auf und ging zu Jenny und Sonnet hinüber.
„Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich deine Hilfe zu schätzen weiß“, sagte Nina zu Jenny.
Die drückte ihre Hand und setzte eine gespielt tragische Miene auf. „Wenn man sich vorstellt, dass ich mich stattdessen den ganzen Tag mit der Buchhaltung der Bäckerei hätte beschäftigen können …“ Sie bedachte Sonnet mit einem liebevollen Blick. „Eines Tages wird sie dir dafür danken. Sie verdient es, zu wissen, wer ihr Vater ist.“
Nina schluckte und nickte kurz. „Ich … äh, ich konnte nicht sagen, was Laurence gefühlt hat, als ich es ihm am Telefon erzählt habe. Außer dass er total schockiert war. Ich meine, ich habe ihn ja nie wirklich gut gekannt, was echt seltsam ist, wenn man bedenkt, dass er mein ganzes Leben verändert hat.“
„Ich schätze, du wirst bald herausfinden, was er denkt“, sagte Jenny. „Das ist so ein großes Geschenk, das du Sonnet machst. Zumindest wird sie es wissen. Ich frage mich schon mein ganzes Leben, wer mein Vater ist. Jeden Tag schaue ich in den Spiegel und versuche, ihn zu erkennen. Ich schaue mir Männer an, die meine Mutter vielleicht gekannt hat, und werde verrückt dabei, zu überlegen, wer von ihnen es sein könnte. Ich sag dir, meine Mutter mochte vielleicht ihre Gründe dafür gehabt haben, von mir fortzugehen, als ich noch klein war, aber was ich einfach nicht verstehe, ist, warum sie niemals irgendjemandem anvertraut hat, wer mein Vater ist.“
Nur Nina wusste, wie sehr Jenny dieses Geheimnis quälte. Das war einer der Gründe, warum sie sich entschlossen hatte, Laurence Jeffries anzurufen und ihn um dieses Treffen zu bitten. Den anderen Grund hatte ein Mann geliefert, den sie ebenfalls kaum kannte – Greg Bellamy. Ihn mit seiner kleinen Tochter am Willow Lake zu sehen hatte Nina daran erinnert, dass, egal wie hart sie arbeitete oder wie sehr sie Sonnet liebte, sie niemals den Platz eines Vaters einnehmen könnte. Sonnet würde es auch ohne Vater in ihrem Leben gut gehen, sie hatte viele männliche Vorbilder in ihrem Leben wie Ninas Vater und ihre Brüder. Und sie schien ein von Natur aus robustes Kind zu sein. Dennoch wollte Nina das nicht zu ihrem Vorteil ausnutzen. Sie wollte die Fragen beantworten, die ihre Tochter noch nicht gestellt hatte, die aber sicher nicht mehr lange auf sich warten lassen würden.
Das Geräusch einer zufallenden Autotür erschreckte Nina.
„Na dann“, sagte Jenny mit einem strahlenden Lächeln. „Sonnet und ich sind dann mal da drüben auf der Wippe.“ Sie schickte einen bedeutungsvollen Blick über Ninas Schulter und eilte dann davon, Sonnet an der Hand mit sich ziehend. Sie mischten sich unter eine fröhliche, lachende Gruppe von Kindern am Klettergerüst.
Nina wusste, was der Blick zu
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