Bewegungswissenschaft
Veränderungen der Bewegung und der Motorik in der Lebensspanne, die potenziellen Entwicklungsfaktorenund die Möglichkeiten der Einflussnahme auf die sportmotorische Entwicklung des Individuums. Die empirische Befundlage zur motorischen Ontogenese muss der Leser auf Grund der Uneinheitlichkeit und der geringen Breite mit einer gewissen Vorsicht betrachten. Dies trifft insbesondere für die zeitliche Klassifizierung der motorischen Entwicklung zu. In der Sportwissenschaft weit verbreitet ist das Klassifizierungssystem von W INTER (1998). Vergleichbar mit anderen ontogenetischen Systematisierungen stellen die benannten Altersspannen, bedingt durch die großen interindividuellen und intraindividuellen Entwicklungsunterschiede, nur sehr grobe, nicht verlässliche chronologische Abgrenzungen des motorischen Entwicklungsverlaufs dar.
Die speziellen Erbanlagen des Individuums und die vorherrschenden Umweltbedingungen bestimmen maßgeblich die somatische Entwicklung. Empirische Befunde über den durchschnittlichen Entwicklungsverlauf liegen für das Zentralnervensystem, die anthropometrischen Körpermerkmale, den aktiven und passiven Bewegungsapparat, das Herz-Kreislauf-System, die inneren Organe und die physiologischen Funktionsprozesse vor. Während im Kindes- und Jugendalter die Ausgestaltung der äußeren Körperform und der inneren Organe im Vordergrund stehen, zählen im Erwachsenenalter zunächst die Aufrechterhaltung und im weiteren Lebenslauf die Verschlechterung der körperlichen Formen und organismischen Funktionen zu den Charakteristika der körperlichen Entwicklung.
Die in der sportwissenschaftlichen Literatur vorherrschenden chronologischen Abhandlungen von W ILLIMCZIK (1983), B AUR ET AL . (1994) und W INTER (1998) über die motorische Entwicklung thematisieren die typischen Lebensaufgaben einzelner Entwicklungsphasen und die altersbezogenen Veränderungen der motorischen Basisfähigkeiten, der Alltagsmotorik, der Arbeitsmotorik und der sporttypischen Bewegungstechniken. Für die Beschreibung der motorischen Entwicklung erscheinen grobe Untergliederungen hilfreich: das Neugeborenenalter bis Vorschulkindalter, das Schulkindalter, das Jugendalter und das Erwachsenenalter.
Die fundamentalen (z. B. gezieltes Greifen) und elementaren Alltagsbewegungen (Gehen, Laufen, Springen, Werfen usw.) differenzieren sich geschlechtsunabhängig bis zum Vorschulkindalter (bis 6./7. Lebensjahr) aus. Im Allgemeinen erwirbt das Kind in dieser Lebensphase einfache Bewegungskombinationen und Bewegungsgrundtechniken des Gerätturnens, des Kinderballetts, der Leichtathletik und des Schwimmens. Die für die frühen Lebensabschnitte beschriebenen, „typischen“ motorischen Entwicklungsabfolgen zeigen bereits erhebliche interindividuelle Unterschiede innerhalb der einzelnen Entwicklungsreihen und im zeitlichen Auftreten der Bewegungsmerkmale. Das Schulkindalter (7.-12./13. Lebensjahr) lässt keine generellen motorischen Entwicklungsverläufeerkennen, da mit der unterschiedlich schnell voranschreitenden somatischen Entwicklung die interindividuellen und geschlechtsspezifischen Differenzen zunehmen. Grob zusammengefasst zeigen die konditionellen und koordinativen Basisfähigkeiten stark ansteigende Zuwachsraten.
Die erste Phase der Jugend, die Pubeszenz (11./12.-14./15. Lebensjahr), kennzeichnet der auffällige Umbau der motorischen Basisfähigkeiten und der Erwerb neuer sportartspezifischer Bewegungsfertigkeiten. Begünstigt durch die hormonellen Veränderungs- und Wachstumsprozesse zeigen sich markante geschlechtsspezifische und individuelle Unterschiede in den sportmotorischen Leistungen. Gute Voraussetzungen bestehen für die Ausbildung der konditionellen Fähigkeiten, während für die koordinativen Fähigkeiten und die sportmotorischen Fertigkeiten mit zeitweisen Beeinträchtigungen oder Stagnationen gerechnet werden muss. Die puberalen Entwicklungstendenzen beeinflussen mehr oder minder die sportlichen Aktivitäten und den Trainingszustand des Individuums. Dies betrifft aber nicht alle Jugendlichen in gleichem Maße.
Die zweite Jugendphase, die Adoleszenz (13./14.-18./19. Lebensjahr), bestimmt die fortschreitende Individualisierung, die große Variationsbreite und die Stabilisierung der motorischen Entwicklungsmerkmale. Besonders augenscheinlich sind die geschlechtsspezifischen Veränderungen der Ausdauer- und Kraftfähigkeiten zu Gunsten der männlichen Jugendlichen, während bei den weiblichen Jugendlichen die
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