Bewegungswissenschaft
Beachtung verschiedener untersuchungsmethodischer Grundsätze der Registrierung der myoelektrischen Aktivität, der Art der Oberflächenelektroden, der Elektrodenapplikation, der Reproduzierbarkeit der EMG-Signale über mehrere Testtage und der Auswertung der Elektromyogramme.
Wissenschaftlich exakte Befunde über die im Verlauf der Bewegungsausführung durch die Skelettmuskulatur erzeugte muskuläre Gesamtkraft kann die Oberflächenelektromyografie naturgemäß nicht liefern, da nicht alle an der Bewegung beteiligten Muskeln gleichzeitig registriert werden können. Des Weiteren können die EMG-Kennwerte für die gleiche Krafterzeugung in unmittelbar aufeinander folgenden Versuchen sehr unterschiedlich ausfallen.
Für die Registrierung der myoelektrischen Aktivität eignen sich stationäre oder mobile Datenerfassungsanlagen. Die störanfälligen Oberflächenelektromyogramme werden über auf der Hautoberfläche fixierte Messelektroden abgeleitet (Abtastrate:1.000-3.000 Hz) und in unmittelbarer Nähe zum Ableitort mittels eines Vorortverstärkers in Abhängigkeit vom myoelektrischen Aktivitätsgrad der abgeleiteten Muskeln verstärkt (Faktor 1.000-5.000). Anschließend werden die verstärkten EMG-Signale weit gehend störungsfrei von elektromagnetischen Einstreuungen über abgeschirmte Kabel an einen Analog-Digital-Wandler übertragen und auf einem Handheld-PC oder Personalcomputer für die spätere Datenauswertung gespeichert. Nach der deutschen Medizingeräteverordnung (93/42/EEC, 93/68/EEC) müssen EMG-Datenerfassungsanlagen über eine galvanische oder optische Trennstufe verfügen, die bei elektrischen Störungen auf der 220-Volt-Netzseite eine Gefährdung der Versuchspersonen ausschließt.
Abb. 84: Schematische Darstellung der Messmethodik der Oberflächenelektromyografie
Die für die Ableitung der myoelektrischen Aktivität eingesetzten Oberflächenelektroden unterscheiden sich nach wieder verwendbaren Messelektroden und Einmal-Messelektroden ( vgl. Abb. 85 ; Durchmesser der Ableitfläche: 2-10 mm). Einwegmesselektroden bieten den Vorteil der schnellen, komfortablen Handhabung mit dem Nachteil der hohen Kosten. Wieder verwendbare, qualitativ hochwertige Silber-/Silberchlorid-Messelektroden oder gesinterte Ableitelektroden gewährleisten eine große Potenzialstabilität und eine hohe Resistenz gegenüber Bewegungsartefakten. Ein speziell auf das jeweilige Ableitmaterial abgestimmtes Elektrolytgel dient der Verbesserung der elektrischen Leitfähigkeit, der Vergrößerung der Kontaktfläche zwischen der Haut und der Messelektrode sowie der Anpassung der Inkongruenz der Hautoberfläche und des Elektrodenmaterials.
Abb. 85: Verschiedene Oberflächenelektroden
a ) Wieder verwendbare Elektroden (Mitte links: Vorortverstärker; oben: Kontaktvermittler)
b ) Einmal-Messelektroden mit Knopfdruckverbindung und Ableitkabel
Bei der Oberflächenelektromyografie hängt es maßgeblich von der Elektrodenapplikation ab, wie stark die unerwünschten Signale weiter entfernt oder tiefer gelegener Muskeln und anderer bioelektrischer Störquellen (z. B. EKG) gedämpft werden. In bewegungswissenschaftlichen Studien erfolgen die EMG-Ableitungen aus Gründen der Praktikabilität über zwei Messelektroden pro Muskel (bipolare Ableitung) und eine indifferente Referenzelektrode (elektrisch neutrale Körperstelle: Knochenvorsprünge wie Kniehöcker, Ellbogenknochen). Die bipolare Ableitkonfiguration erfasst die Spannungsdifferenz zwischen den beiden möglichst nahe nebeneinander liegenden, sich aber nicht berührenden Messelektroden (Interelektrodenabstand: 10-30 mm) in Bezug auf die Referenzelektrode. Zuverlässige EMG-Ableitungen ermöglicht die bipolare Elektrodenapplikation zwischen der motorischen Endplatte und dem Sehnenansatz in Richtung des Verlaufs der Muskelfasern (Überblick: H ERMENS ET AL ., 1999).
Grundlegende untersuchungs- und auswertungsmethodische Probleme der Oberflächenelektromyografie diskutieren zwei ältere, immer noch lesenswerte Publikationen von L AURIG (1983) und Z IPP (1988) und zwei neuere Veröffentlichungen von H ERMENS ET AL . (1999) und W OLLNY (2002). Ein ausführlicher Sammelband der dvs-Schriftenreihe zum Thema „Elektromyografie in der Motorikforschung“ (D AUGS , L EIST & U LMER , 1989, Band 35) beinhaltet verschiedene Haupt- und Kurzreferate (H ARTUNG & H AVERKAMP , 1989; N OTH , 1989; Z IPP , 1989) und eine Expertendiskussion zur Methode der Elektromyografie mit zahlreichen, an anderen
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