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Bewegungswissenschaft

Bewegungswissenschaft

Titel: Bewegungswissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wollny
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(Frequenzleistungsspektrum, mean power frequency, median frequency usw.).
    Einen Überblick über die wichtigsten Verfahren der Bestimmung des onset und offset der Haupt- und Nebenaktivitätsphasen der Skelettmuskeln und der zeitlichen, dynamischen und frequenzanalytischen EMG-Kenngrößen findet der Leser bei J ÖLLENBECK (2002) undW OLLNY (2002).
3.2 Wie funktioniert die Hoffmann-Reflex-Methode?
    Spinale Reflexe, wie der monosynaptische Dehnungsreflex ( vgl. Lektion 4 ) oder der Hoffmann-Reflex (H-Reflex; H OFFMANN , 1918, 1922), betrachtete die Neurophysiologie bis vor wenigen Jahren noch als stereotype, genetisch bedingte Bewegungsmuster. Nach aktuellen neurophysiologischen Studien besitzen spinale Reflexe aber eine hohe Modulationsrate und Anpassungsfähigkeit an die spezifischen körperlichen Aktivitäten des Menschen, die speziellen motorischen Lern- und Trainingsinterventionen und die vorherrschenden Umweltbedingungen (vgl. Kap. 3.2.1).
    Die motorischen Reflexbögen werden vornehmlich durch die peripheren Effekte des fusiomotorischen Systems der Muskelspindeln anatomisch beeinflusst ( vgl. Lektion 4, Kap. 2 ). Das Rückenmark und spezielle zentralnervöse Mechanismen können die Durchgängigkeit der Reflexbögen selektiv kontrollieren. Im Rückenmark existiert zwischen den sensorischen Afferenzen und den α-Motoneuronen eine Vielzahl von Verschaltungsmöglichkeiten, deren Aktivierung reflexartige Bewegungen fördern oder hemmen kann.
    Die in Kapitel 3.1 vorgestellte Oberflächenelektromyografie liefert detaillierte Informationen über die zeitliche Dauer, die Stärke und das Frequenzleistungsspektrum der myoelektrischen Aktivität. Bei der Differenzierung der bewegungskontrollierenden kortikalen und peripheren Reizströme (z. B. Hautafferenzen, Entladungsfrequenzen statischer Motoneurone) stoßen elektromyografische Untersuchungsverfahren an ihre natürlichen messmethodischen Grenzen. Hier ermöglicht die Hoffmann-Reflex-Methode differenzierte Hinweise, inwieweit zentralnervöse Impulse und periphere Reflexafferenzen die α-Motoneuronen beeinflussen.
    Durch die äußere künstliche elektrische Provokation der Ia-Afferenzen der gemischtperipheren Muskelnerven können exakt dosierbare monosynaptische Hoffmann-Reflexe ausgelöst werden ( vgl. Abb. 86 a). Bei ausschließlich kortikaler (postsynaptischer) Aktivierung des Skelettmuskels korrespondiert die Reizstärke des künstlich ausgelösten H-Reflexes proportional mit der Stufe der α-Motoneuronenaktivität. Eine Abnahme der Reflexförderung – die kleinere H-Reflexamplituden verursacht – verweist auf das Vorhandensein peripherer (präsynaptischer) Reizeinflüsse. Eine derartige präsynaptische Beeinflussung der α-Motoneuronen stellt innerhalb der menschlichen Bewegungskontrolle einen wirkungsvollen peripheren Regelmechanismus dar, der einzelne synaptische Endstellen der α-Motoneuronen hemmt, ohne die postsynaptisch (kortikal) regulierte Gesamterregbarkeit zu verändern.
3.2.1 Was zeichnet die Plastizität des Hoffmann-Reflexes aus?
    Zur Anpassungsfähigkeit des Hoffmann-Reflexes an spezielle körperliche Aktivitäten oder motorische Lern- und Trainingsinterventionen liegt eine Vielzahl empirischer Befunde vor. Beispielsweise kann mit zunehmendem Lebensalter eine generelle Abnahme des maximal ableitbaren M. soleus H-Reflexes (H max -Amplitude) beobachtet werden. Zurückgeführt wird dieser Effekt nicht auf das Lebensalter, sondern auf die geringe körperliche Aktivität älterer Menschen. S ABBAHI und S EDGWICK (1982), D EVRIES , W ISWELL , R OMERO und H ECKATHORNE (1985) können zwischen zwei gleichermaßen körperlich aktiven Versuchsgruppen unterschiedlichen Alters (20-30 Jahre versus 61-74 Jahre) für die Ausprägung der M. soleus H max -Amplitude keine signifikanten Unterschiede feststellen. Im Hinblick auf die Anpassungsfähigkeit des M. flexor carpi radialis H-Reflexes an sporttypische Trainingsinterventionen belegen T ARKKA und L ARSEN (1987) und W OLLNY (2002) bei hochklassigen Tischtennisspielern signifikant größere maximale motorische Antworten des M. flexor carpi radialis (M max -Amplituden) und der H max -Amplituden als für gleichaltrige untrainierte Personen.
    Die Art der neuromuskulären Innervation beeinflusst ebenfalls die Ausprägung des Hoffmann-Reflexes. Für Athleten verschiedener anaerober Sportarten (Sprint, Volleyball) weisen S ALE , M AC D OUGALL , U PTON und M C C OMAS (1983) für den M. soleus HReflex eine kleinere H max /M

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