Bewegungswissenschaft
Stellen nicht zu findenden Detailangaben (G OLLHOFER &S CHMIDTBLEICHER , 1989).
Zwecks Vermeidung zufallsbedingter Artefakte, d. h. aller nicht durch die myoelektrische Aktivität hervorgebrachten Signalanteile im Oberflächenelektromyogramm ist eine standardisierte Elektrodenapplikation angeraten. Diese besteht aus:
identischer Hautpräparation der Ableitflächen (Entfernung der Haare, Dekornifikation der obersten Hornhautschicht, Hautreinigung),
Zugentlastung der Oberflächenelektroden,
Sicherstellung des natürlichen Bewegungsumfangs durch entsprechende Befestigung der Vorortverstärker und behinderungsfreie Verlegung der Ableitkabel an der Beugeseite der Gelenke (voller Bewegungsumfang),
Tests auf Artefaktfreiheit, Signalgüte und Plausibilität der Messwerte und
Datenerhebung nach 30-minütiger Einwirkungsdauer des Kontaktvermittlers.
Der unterschiedliche Abstand der aktiven motorischen Einheiten zum Ableitort der Messelektroden bedingt eine mehr oder weniger starke Dämpfung der ansonsten in Form und Amplitude sehr ähnlichen bioelektrischen Aktionspotenziale. Die Höhe der EMG-Amplituden variiert beim Menschen in Abhängigkeit von der jeweiligen Größe und dem Anspannungsgrad der Skelettmuskeln zwischen 0.05 mV und 5 mV. Der Frequenzbereich des EMG-Signals erstreckt sich von 10-500 Hz (Hauptfrequenzbereich: 30-250 Hz). Zwischen dem Auftreten des bioelektrischen Aktionspotenzials und der sichtbaren Muskelkontraktion liegt ein Zeitintervall von ca. 10 ms. Das Maximum der muskulären Kraftentwicklung wird nach 60-100 ms erreicht (N OTH , 1989).
Die Reproduzierbarkeit der Oberflächenelektromyogramme über mehrere Testtage hängt von zahlreichen Bedingungsfaktoren ab: der Muskellänge, der Muskeltemperatur, der Muskelermüdung, der Anspannungsintensität, der Ableitkonfiguration, der Tageszeit und der Messmethodik. Intraindividuelle EMG-Vergleiche sind nur bei identischer elektromyografischer Messtechnik und unveränderter Elektrodenapplikation sinnvoll. Zwecks exaktem Wiederauffinden der einzelnen Messpositionen der Oberflächenelektroden an aufeinander folgenden Testtagen empfiehlt es sich, die Ableitmittelpunkte durch kurzzeitige Tätowierungsstoffe oder wasserfeste Farbstoffe zu markieren, zu unveränderlichen anatomischen Bezugspunkten zu vermessen (z. B. Leberflecke) und zu fotografieren. Interindividuelle und längsschnittliche Vergleiche bedürfen der Zeit- und Amplitudennormierung der EMG-Signale (Überblick: W OLLNY , 2002).
Visuelle qualitative Analysen der Elektromyogramme erlauben auf nominalem Skalenniveau „ja-nein“-Aussagen zur Erregung, Kontraktion und Koordination der bewegungsausführenden Muskeln. Auf ordinalem Skalenniveau sind „früher-später“-Aussagen zur intra- und intermuskulären Koordination und zur Zeitdauer der myoelektrischenAktivität oder „mehr-weniger“-Aussagen zum neuromuskuären Aktivitätsniveau (Intensität der myoelektrischen Aktivität) und zur Ermüdung der Skelettmuskulatur möglich. Unterschiedliche Aktivitätsstufen lassen sich bei qualitativen EMG-Analysen nur innerhalb einer Messaufnahme angemessen bestimmen.
Computergestützte quantitative Analysen des
EMG-Signals gestatten objektive Vergleiche auf metrischem
Skalenniveau zu Erregungs-, Kontraktions-, Beanspruchungs- und
Ermüdungsunterschieden. Die quantitative EMG-Auswertung beginnt mit
der frequenzanalytischen Kontrolle der auf das EMG-Signal
möglicherweise einwirkenden nieder- und hochfrequenten Störungen (< 30 Hz und > 250 Hz) wie Bewegungsartefakte, EKG-Einstreuungen und 50-Hz-Netzbrummen. Frequenzanalytisch identifizierte Störsignale lassen sich mit grenzwertbezogenen digitalen Filtersystemen (Hochpass-, Tiefpass-, 50-Hz-Bandpass-Filter usw.) weit gehend aus dem EMG-Signal entfernen.
Im Anschluss an die Artefaktkontrolle der EMG-Signale folgt die manuelle oder (teil-) automatisierte Abgrenzung des Beginns und des Endes der Haupt- und Nebenaktivitätsphasen der registrierten Muskeln (onset und offset). Für die identifizierten myoelektrischen Aktivitätsphasen berechnen spezielle Softwareprogramme verschiedene zeitanalytische EMG-Kenngrößen (relatives Timing; Sequencing: Reihenfolge und zeitlicher Beginn der Muskelaktivitäten usw.), EMG-Amplitudenkennwerte (EA: mittlere EMG-Amplitude; IEMG: integriertes Elektromyogramm; Anstieg der myoelektrischen Aktivität; Koinzidenz agonistischer-antagonistischer Muskelaktivitäten usw.) und frequenzanalytische EMG-Größen
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