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Bewegungswissenschaft

Bewegungswissenschaft

Titel: Bewegungswissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wollny
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der Wahrnehmung.
    Motorische Efferenzen bezeichnen die von höheren Zentren des Zentralnervensystems an die Skelettmuskulatur gesendeten ziel- und zeitgerichteten Instruktionen zur Koordination der Skelettmuskeln. Die Efferenzkopie stellt ein Abbild der bewegungskontrollierenden Efferenzen dar, die spezielle Hirnareale für die Überwachung der Bewegungsausführung benötigen (z. B. Kleinhirn, Thalamus; vgl. Lektion 4, Kap. 4 ).
    Bei Afferenzen handelt es sich um sensorische Signalreize der Sinnesorgane, die nach ihrer Umwandlung in bioelektrische Aktionspotenziale über die sensorischen Nervenfasern an spezielle Hirnzentren übertragen werden und den Menschen über die momentanen Umweltbedingungen oder den Zustand der Bewegungsorgane unterrichten (vgl. Kap. 4.1). Die Situationsafferenzen bilden die Grundlage für die Planung der motorischen Efferenzen. Die Afferenzsynthese bezeichnet die Auswahl und die Auswertung der bewegungsbedeutsamen Signalreize aus der Fülle der Reize unterschiedlicher Sinnesorgane. Der Sportspieler benötigt für die Vorbereitung seiner Spielhandlungen differenzierte Informationen sowohl über das Verhalten seiner Mitspieler und Gegenspieler als auch über die aktuelle Position und die Geschwindigkeit des Balls. In der Leichtathletik muss der Stabhochspringer vor Bewegungsbeginn Informationen über die Höhe der zu überspringenden Latte, die Anlauflänge, die Beschaffenheit der Anlaufbahn und der Absprungstelle einholen.
    Ergänzt werden die afferenten Informationen durch die Reafferenzen (sensorische Rückmeldungen) spezieller Sinnesorgane in den Skelettmuskeln, den Sehnen, den Gelenkkapseln und der Haut. Diese informieren das Zentralnervensystem über den Verlauf und das Ergebnis der Bewegungsausführung (vgl. Kap. 4.2). Die Reafferenzen werden in speziellen Hirnzentren mit der Efferenzkopie verglichen. Bei schnellen motorischen Handlungen von weniger als ca. 200 ms, wie dem Klavierspielen, dem Schreibmaschineschreiben, dem Prellen eines Basketballs oder dem Aufschlag im Badminton, Tennis und Tischtennis, kann der Mensch die Reafferenzen auf Grund der kurzen Bewegungszeit nicht direkt in die Bewegungskontrolle einbeziehen, da die informationellen Rückmeldungs- und Auswertungsprozesse länger andauern als die eigentliche motorische Aktion.
    Nach dem Dreispeichermodell von A TKINSON und S HIFFRIN (1968) verbleiben die (re-)afferenten Informationen für 100-400 ms im Ultrakurzzeitgedächtnis als Teil des Wahrnehmungsapparats ( vgl. Abb. 9 ). Die für das Individuum bedeutsamen Reizinformationen gelangen direkt zum temporären Kurzzeitgedächtnis. Die Auswahl der subjektiv relevanten Informationen hängt von der Aufmerksamkeit des Individuums, seinen Bedürfnissen, seiner Zielgerichtetheit, seinen Erwartungen, der Aufgabenschwierigkeit und den physikalischen Reizeigenschaften ab. Psychologische Wahrnehmungserlebnisse und Empfindungen entstehen, indem die Informationen des Kurzzeit- und Langzeitgedächtnisses miteinander verknüpft, subjektiv bewertet und eingeordnet werden. Bei Illusionen handelt es sich um falsch gedeutete Sinneseindrücke.

    Abb. 9: Dreispeichermodell von A TKINSON und S HIFFRIN (1968)
    Nach ungefähr 60 s löscht das Kurzzeitgedächtnis seine Speicherinhalte vollständig, um die Verarbeitung der weiterhin kontinuierlich einfließenden (re-)afferenten Informationen zu gewährleisten. Bei aktiver Verarbeitung der aktuellen Speicherinhalte des Kurzzeitgedächtnisses gelangt das Ergebnis für die längerfristige Speicherung in das Langzeitgedächtnis . Die Beispiele im motorischen Bereich sind vielfältig. Bewegungsgrundmuster des Schwimmens, Windsurfens, Rad-, Ski- und Snowboardfahrens verlernt der Mensch auch nach einer mehrjährigen Pause nicht. Die Informationsübertragung vom Kurzzeitgedächtnis in das Langzeitgedächtnis erfolgt dann am besten, wenn der Mensch die Informationen strukturiert und ordnet, die Aufmerksamkeit auf spezielle Bewegungsteile lenkt und irrelevante Reizeinflüsse vermeidet.
    Bei der Bewegungskontrolle unterscheidet die Biokybernetik zwei Grundkonzepte: die Steuerung und die Regelung des motorischen Verhaltens. In der Psychologie und der Bewegungswissenschaft wurden beide motorischen Kontrollverfahren lange Zeit keineswegs als alternative Kontrollmodi angesehen. Heutzutage gelten die Steuerung und die Regelung als einander in idealer Weise ergänzende motorische Kontrollmechanismen.
    Die Bewegungssteuerung (syn. Open-Loop-Kontrolle, feedforward

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