Bewegungswissenschaft
Sollwert-Istwert-Abweichung mehr vorliegt. Das generelle Funktionsprinzip der Closed-Loop-Kontrolle soll die Wasserstandsregelung in einem Toilettenspülkasten verdeutlichen.Abbildung 11a stellt die technischen Beziehungen zwischen den funktionellen Einzelelementen stark schematisiert dar. Abbildung 11b gibt dasselbe Regelsystem als kybernetisches Blockschaltbild wieder.
Abb. 10: Schematisches Flussdiagramm eines einfachen Closed-Loop-Systems
Durch den Frischwasserzulauf A strömt Wasser in den Toilettenspülkasten B . Auf der Wasseroberfläche befindet sich ein Schaumstoffschwimmer ( Messfühler, St ), der den momentanen Wasserstand erfasst ( Istwert x1 ), auf das Wassereinlassventil überträgt ( Regler, R ) und die Öffnungsweite des Frischwasserzulaufs beeinflusst ( Stellglied, V ). Die im Toilettenspülkasten ( Regelstrecke, Re ) konstant zu haltende Wasserstandshöhe ( Sollwert, x2 ) wird von außen vorgegeben. Greift eine Störgröße S1 – Ablassen der Wassermenge beim Spülvorgang C – an die Regelaufgabe an, fällt der Wasserstand bis auf die untere Wasserstandshöhe x1 ab. Der Istwert x1 wird durch den Schaumstoffschwimmer ( St ) erfasst und über den Regler R mit dem Sollwert x2 verglichen ( Vergleichsstelle, Ve ). Die Sollwert-Istwert-Differenz stellt die Regelabweichung y dar. Der Regler überführt die Regelabweichung in die Stellgröße S . Hierauf öffnet das Wassereinlassventil so lange den Frischwasserzulauf ( A) , bis die geforderte Wasserstandshöhe ( Sollwert, x2 ) erreicht ist.
Abb. 11: Schematisierte Darstellung der Wasserstandsregelung in einem Toilettenspülkasten
a) Technische Beziehungen
b) Kybernetisches Blockschaltbild
Biologische Regelprozesse dienen der Aufrechterhaltung des organismischen Milieus ( Homöostase ). Nach biokybernetischen Vorstellungen unterliegen die vegetativen Körperfunktionen des Menschen wie die Körpertemperatur, der Blutdruck, der Blutzuckergehalt oder der Hormonspiegel selbstregulierenden Kontrollprozessen. Des Weiteren nimmt die Biokybernetik in den niederen Hirnabschnitten, im Rückenmark und in der Körperperipherie spezielle motorische Closed-Loop-Mechanismen an, die einfache, aber auch komplexe Bewegungen, wie die Gleichgewichtsregulation, die Halte- und Stützmotorik, das Gehen oder das Laufen, eigenständig kontrollieren.
Die Closed-Loop-Kontrolle willkürlicher Bewegungen, bei denen sich, wie in den Sportspielen, beim Fahren in der Buckelpiste, beim Segeln unter böigen Windverhältnissen oder beim Mountainbikefahren, die Umgebungsbedingungen nur schwer vorhersehbar verändern, gleicht in vielen Aspekten einem technischen Regelkreissystem. Abbildung 12 veranschaulicht stark vereinfacht am Beispiel der Regelung der Ellbogengelenkstellung die charakteristischen Mechanismen und Funktionsprozesse der biologischen Closed-Loop-Bewegungskontrolle.
Bei der Closed-Loop-Kontrolle der Ellbogengelenkstellung (C RUSE , 1981) stellt der Verbund von Skelettmuskeln, Sehnen und Körpergelenk das Stellglied ( S ) dar. In den Skelettmuskeln finden sich auf die Längenveränderung der Muskelfasern reagierende Messfühler ( St ), so genannte Muskelspindeln . Ihre spindelförmige Bindegewebshülle ist fest mit den Muskelfasern verbunden. Im Inneren der Muskelspindel liegen mehrere feine intrafusale Muskelfasern parallel zur Arbeitsmuskulatur. Die intrafusalenMuskelfasern bestehen aus zwei muskulären Spindelendstücken, deren Kontraktionszustand die extrapyramidalen Bahnen und die γ-Nervenfasern regulieren ( vgl. Abb. 12 ). Das nichtkontraktile, dehnungsempfindliche Mittelstück der intrafusalen Muskelfasern umschlingen die Endverzweigungen einer Ia-Nervenfaser (Ø 15-17 µm; Leitungsgeschwindigkeit: 100 m/s; Latenzzeit: 50-80 ms; vgl. Abb. 12 ). Ihre Aufgabe umfasst die Registrierung der Spannung der Muskelspindel. Den adäquaten Reiz für die Muskelspindel stellt die Längenveränderung der intrafusalen Muskelfaser dar. Für einen bestimmten γ-Erregungswert verhält sich die Spannung proportional zur Länge der Muskelspindel und somit zur Länge des Gesamtmuskels. Da die Länge der am Körpergelenk ansetzenden Skelettmuskeln die Gelenkstellung bestimmt, registrieren die Muskelspindeln indirekt die Lage und die Bewegung der einzelnen Körpersegmente (Istwert).
Abb. 12: Anatomische Beziehungen im biologischen Regelkreis zur Kontrolle der Ellbogengelenkstellung (Ia, Ib, α , γ : Nervenfasern; S1: Störgröße; mod. nach C RUSE , 1981, S. 71)
Die Länge und
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