Bewegungswissenschaft
Golgi-Sehnenorgane . Jedes Sehnenorgan ist mit 20-25 Fasern der Arbeitsmuskulatur in Serie geschaltet und registriert die aktive oder passive Veränderung der Muskelspannung, jedoch nicht die muskulären Längenänderungen. Weniger gut reagieren die Golgi-Sehnenorgane auf äußeren Zug, jedoch hoch empfindlich auf geringe kontraktile Kräfte. Die Hauptaufgabe der Sehnenorgane besteht in der Kontrolle der Stärke der Muskelkontraktion, um das Muskel- und Sehnengewebe vor Überbeanspruchungen zu schützen.
Nicht selten liegen im Bereich der Golgi-Sehnenorgane schnell adaptierende Vater-Pacini-Körperchen (Vibrationssinn, Beschleunigungsdetektoren) zur Erfassung der Bewegungen mehrerer Muskelgruppen an einem Gelenk. Die 3-4 mm langen Rezeptoren (Ø 3-10 µm) besitzen die Fähigkeit, sehr kleine Vibrationsbewegungen (periodische Erschütterungen von 40-100 Hz) und geringe Bewegungsbeschleunigungen zu registrieren. Die einseitige Kompression oder die Verschiebung des Vater-Pacini-Körperchens um 0.002 mm löst bereits nachweisbare Reize aus. Demgegenüber bleibt der Gelenkrezeptor bei mehrseitiger Reizung oder langsamen Kompressionsschwankungen weit gehend inaktiv.
Die in den Gelenkkapseln liegenden langsam adaptierenden druck- und spannungssensiblen Ruffini-Körperchen (Druckrezeptoren) reagieren einerseits auf Veränderungen der Gelenkposition und der Geschwindigkeit der Veränderung der Gelenkstellung, andererseits dienen die Druckrezeptoren als Schutzmechanismus vor belastungsbedingten Verletzungen. Die durch die Muskelspannung gereizten Ruffini-Körperchen können sowohl zwischen aktiver und passiver Bewegung unterscheiden als auch aufzeigen, welche Kräfte auf die Bewegung einwirken. Die in die unbehaarte Haut (Kutis) eingebetteten eiförmigen Meißner-Körperchen befähigen den Menschen, sehr kleinräumige Bewegungen wahrzunehmen.
5 Sensorische Aspekte der Bewegungskontrolle im Überblick
Die Kybernetik befasst sich mit der Erklärung der Informationsübertragung und den Kontrolleigenschaften technischer Systeme und biologischer Funktionsprozesse. Nach biokybernetischen Kenntnissen besitzt der Mensch die Fähigkeit, bewegungsrelevante Informationen aus dem eigenen Körper und der Umwelt aufzunehmen, diese in bewusste psychologische Wahrnehmungen zu überführen und in die Bewegungskontrolle einzubeziehen. Die Biokybernetik differenziert die motorische Kontrolle nach zwei unterschiedlichen Prozessen: Steuerung (Open-Loop-Kontrolle) und Regelung (Closed-Loop-Kontrolle).
Während die motorische Steuerung im Wesentlichen auf zentralnervösen Bewegungsvorschriften beruht ( vgl. Lektion 4 ), stützt sich die motorische Regelung auf die Verarbeitung sensorischer Rückmeldungen über die Umweltbedingungen und den Zustand des Bewegungsapparats. Kontinuierlich stattfindende Informationsprozesse und das Zusammenwirken verschiedener Elemente eines geschlossenen Regelkreises – Sollwert (Bewegungskommando), Istwert (Feedback), Exekutive (Entscheidungszentrum), Fehleraufdeckung, Effektor (Muskel-Skelett-System) und Stellgröße – gelten als die Garanten für den Ausgleich unvorhersehbarer Störungen der Bewegungsausführung.
An der Closed-Loop-Bewegungskontrolle beteiligen sich auf bestimmte physikalische oder chemische Reize spezialisierte Sinnesorgane. Die Exterozeptoren – visueller und akustischer Sinn – liefern Informationen über die Umwelt (Anweisungen des Trainers, Flugbahn des Balls usw.). Die körperinternen Bewegungsprozesse (Veränderung der Muskellänge, Gelenkstellung oder Muskelspannung, Wahrnehmung muskulärer Ermüdung, Lage des Körpers im Raum usw.) nimmt der Mensch über die Propriozeptoren wahr (Linearsinn, Drehsinn, kinästhetischer Sinn).
Sinnessysteme bestehen grundsätzlich aus drei funktionellen Komponenten: den eigentlichen Sinnesorganen zur Reizaufnahme und deren Umwandlung in Aktionspotenziale, der Weiterleitung der bioelektrischen Signale zu bestimmten Hirnzentren und der zentralnervösen Verarbeitung der physiologischen Wahrnehmungen in psychologische Wahrnehmungen. Die sensorischen Informationen über die Umweltbedingungen und den Zustand der eigenen Bewegungsorgane werden als Afferenzen bezeichnet. Efferenzen stellen von höheren Hirnzentren an die bewegungsausführenden Muskeln gesendete Instruktionen dar. Die Reafferenzen spezieller Sinnesorgane der Skelettmuskeln (Muskelspindeln), der Sehnen (Golgi-Sehnenorgane), der Gelenke oder der Haut (Vater-Pacini-Körperchen) geben Auskunft
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