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Beziehungswaise Roman

Beziehungswaise Roman

Titel: Beziehungswaise Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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meiner Mitbewohnerin um, die uns abholen wollte.
    »O Mann«, sagt Tess.
    Ich folge ihrem Blick. Frauke kommt grinsend auf uns zu. Mit ihrem roten Mantel und dem gleichfarbigen Hut fällt sie zwischen der dunklen Winterkleidung auf, wie Halle Berry in einer Skinhead-Sauna. Hinter ihr gleitet mein Mitbewohner heran. Er trägt eine weite Hose, die ihm Highkicks erlaubt, und ein enges Kapuzensweatshirt unter dem aufgeknöpften Parka, das seinen muskulösen Oberkörper zur Geltung bringt, doch das ist Zufall. Die Aufschrift auf dem Shirt ist keine: Mach die Erde kaputt, und ich mach dich kaputt!
    »Willkommen in der Zivilisation!«, ruft Frauke. Sie umarmt erst Tess, dann mich. Dabei verströmt sie ihren unverwechselbaren, prägnanten Hanfgeruch. »Und, wie war es im Sklavenland?«
    »Un-be-schreib-lich!«, seufzt Tess und beginnt zu beschreiben.
    Die beiden haken sich ein und gehen los.
    »He, das Gepäck.«
    Sie ignorieren mich und gehen plaudernd auf den Ausgang zu. Ich mustere meinen Mitbewohner, der seinerseits die Umgebung unter der Kapuzenkante mustert. Fliegen ist ja ein Verbrechen an der Umwelt, und hier steht er, umgeben von Umweltterroristen.
    »Ist das die Gleichberechtigung, die wir wollten?«
    Statt zu antworten, klemmt er sich Tess’ Koffer unter den Arm und geht in Richtung Ausgang. Ich halte mir eine Hand vor die Augen, um mich zu vergewissern, dass ichnicht unsichtbar geworden bin, dann folge ich. Als wir uns durch die Drehtür hinausquetschen, schlagen die Temperaturen zu. Beißende Kälte auf leichten Sonnenbrand. Ich liebe dieses Gefühl. Zwei Sekunden lang.
    Fraukes Wagen steht direkt vor dem Eingang. Sie findet immer einen Parkplatz vor der Tür. Einer der mystischen Dinge des Lebens. Die beiden steigen gerade lachend ein und ziehen die Türen zu, die Heckklappe öffnet sich automatisch. Ich schaue Arne an.
    »Geht doch nichts über Elektronik, sonst hätte sie die Heckklappe mit der Hand öffnen müssen.«
    Er lacht nicht. Stattdessen beginnt er, das Gepäck zu verstauen.
    »Scheißglobalisierung? Lobbyisten an die Macht?«
    Auch darauf reagiert er nicht und tritt wortlos einen Schritt beiseite. Ich wuchte meinen Koffer in den Laderaum und werfe ihm einen Blick zu.
    »Alles klar?«
    Er hebt einen Mundwinkel einen Zentimeter.
    »Pilze.«
    Ich grinse.
    »Und jetzt kannst du nicht sprechen, weil du Angst hast, du flippst gleich völlig aus? He, siehst du diese Fledermäuse , o mein Gott, sie sind überall !«
    Ich fuchtele in der Luft herum. Er wirft mir einen schrägen Blick zu, und ich spare mir weiteren Jetlag-Humor. Wir sind Freunde. Aber er ist auch ein zwei Meter großer, hundertzwanzig Kilo schwerer Kampfsportler auf Halluzinogene.
    Ich knalle die Heckklappe zu, wir klettern auf den Rücksitz. Vorne erzählt Tess von der Hochzeit. Der Wagen setzt sich in Bewegung. Ich lehne mich in den Sitz zurück und lausche Tess’ Bericht, der schon bald von Fraukes euphorischer Liebesbeichte abgelöst wird. Scheinbar hatte sie eintolles Wochenende. Sie war mit ihrem Chef auf einem Seminar und durfte ihn ein ganzes Wochenende verwöhnen. Bevor er wieder zu seiner Frau nach Hause fuhr, die er ganz sicher ganz bald verlassen wird. Ich verkneife mir meinen Kommentar, strecke mich und spüre die stille Masse meines Mitbewohners neben mir. Er sitzt da wie ein Felsen und starrt vorbeifahrende Autos an. Er hasst Flugzeuge, er hasst Autos. Wenn es nach ihm ginge, würden wir jetzt vom Flughafen nach Hause radeln. Er ist nur mitgefahren, um Tess zu sehen, bevor sie wieder abreist. Manchmal glaube ich, er liebt sie so sehr wie ich.
    Vorne wird Fraukes Bericht allgemeiner: Das Wetter war mies. Der FC hat eine Siegesserie; zwei Spiele in Folge gewonnen. Fraukes Kanzlei hat ebenfalls eine Siegesserie; sieben Fälle außergerichtlich beigelegt. Solche Kuhhandel gelten heute als Erfolg. Die irren Künstler von nebenan haben beim Schweißen Feueralarm ausgelöst. Die Feuerwehr ist angerückt. Außerdem hat Arne sich mal wieder auf einer Kundgebung geprügelt. Ihm steht eine Anzeige ins Haus, um die sich Fraukes Kanzlei wieder unentgeltlich kümmern wird. Das ist ihr Deal: Er prügelt sich rein – sie haut ihn raus.
    Vorne fällt das Wort »Agentur«. Mein Magen reagiert mit einem leichten Ziehen.
    »Agentur?«
    Niemand antwortet. Ich lehne mich zwischen den Sitzen nach vorne.
    »Hallo. Hier hinten am Personaleingang.«
    Frauke wirft einen kurzen Blick über die Schulter. »Deine Agentur hat angerufen.«
    »Und?«
    »Ja,

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