Beziehungswaise Roman
roten Mantel und geht lachend raus, um mit dem Arschloch Karneval zu feiern, das ihr schwört, seine Frau zu verlassen. Zu ihm können sie nicht, und hier bringt sie ihn aus guten Gründen nicht mit, also landen sie in einem Hotel, um seine Entscheidung zu feiern. Morgen früh wachen sie auf, und nach einer letzten Nummer muss er diese schwerwiegende Entscheidung noch mal überdenken, und Frauke hat Verständnis dafür. Dass er so rücksichtsvoll mit seiner Frau umgeht, zeigt ja nur, wie verantwortungsbewusst er ist, nicht wahr? Frauen und Arschlöcher – ich werde es nie verstehen.
Als sie draußen durch den Hof geht, höre ich, wie sie mit der Katze spricht, die scheinbar schon wieder da ist. Irgendwas stimmt mit dem Vieh nicht.
Ich klopfe an die Trennscheibe.
»Stört es dich beim Baden, wenn ich das ganze Gepäck allein reinhole?«
Die Scheibe antwortet nicht, also öffne ich die Nebentür und gehe in mein Arbeitszimmer. Ich setze mich an den Schreibtisch und studiere den AB, der hektisch blinkt. Daneben liegen fein säuberlich die Anrufe aufgelistet, die Frauke entgegengenommen hat. Daneben liegen Faxe,Briefe und Kontoauszüge geordnet. Laut Liste hat Frauke zwei Anrufe der Agentur persönlich entgegengenommen und dabei nicht erfahren, worum es geht, nur dass ich dringend zurückrufen soll. Laut Kontoauszüge hat niemand in meiner Abwesenheit beschlossen, mir eine Million zu schenken. Dafür hat Arne mal wieder beschlossen, seinen Mietanteil nicht zu überweisen. Daraufhin hat die Bank beschlossen, mir Mahngebühren in Rechnung zu stellen, die den Rückschluss nahelegen, dass der Aufsichtsratsvorsitzende seine Dubaier Golfrunde unterbrochen hat, um einer blinden tibetanischen Fußmalerin die Mahnung zu diktieren und sie dann persönlich mit dem Learjet zu unserem Briefkasten zu bringen. Außerdem liegt eine Nebenkostennachzahlung für das letzte Jahr vor. Ich schaue dreimal auf die Summe. Sie wird dadurch nicht kleiner. Wo es schon so prima läuft, drücke ich auf den AB. Die ersten drei Anrufe sind von der Agentur. Verschiedene Mitarbeiterinnen bitten um Rückruf, ohne eine Information zu hinterlassen, worum es geht. Dann folgt eine Nachricht von meiner Schwester Zehnmalklug. Sune arbeitet seit zwanzig Jahren mit Kindern und vergisst manchmal, dass nicht alle Menschen gerade zur Welt gekommen sind. Sie erklärt Dinge gerne mehrmals und fragt dann penetrant nach, ob man es verstanden hat, während man versucht, sie nicht zu erwürgen. Ich verstehe nicht jedes Wort der Nachricht, weil circa hundert Kinder im Hintergrund Stalingrad nachstellen, aber die Essenz ist dieselbe wie immer: Far ist nicht nur krank, sondern todkrank, er hustet mehr als sonst, und Schmerzen hat er auch; er gibt es einfach nicht zu, und falls ich ihn noch mal lebend sehen will, soll ich schnellstens nach Hause kommen.
Ich nehme den Hörer und wähle die Kopenhagener Nummer, die sich seit meiner Kindheit nicht geändert hat. Nach dem siebten Klingeln geht er ran.
»Achtzehnvierundachtzigsiebzehn.«
»Wie ich höre, liegst du wieder im Sterben.«
»Wer spricht da?«
»Dein Sohn.«
Es raschelt im Hörer, und ich höre, dass er im Hintergrund jemanden fragt, ob er einen Sohn hat. Scheinbar ist die Antwort Ja, denn er kommt wieder an den Hörer.
»Hallo, Sohn. Entschuldige, mein Gedächtnis ist nicht mehr das beste.«
»Hab schon verstanden.«
»Na, das wär doch mal was Neues«, lacht er. »Wie geht es meiner Schwiegerfreundin?«
»Ihr geht es gut. Wir kommen gerade aus dem Urlaub und ...«
»Ist sie schwanger?«, fährt er dazwischen.
»Nicht dass ich wüsste.«
»Hm.«
Eine kurze Pause, die immer auftritt, wenn er etwas einwirken lassen will. Ich beschließe, ihm eine Freude zu machen.
»Vielleicht wird es aber heute noch was. Sie wartet in der Wanne auf mich.«
»Das ist mein Sohn!«
Er hält den Hörer wieder weg, um jemandem im Hintergrund zu erklären, dass ich in sein Testament aufgenommen werden soll. Dann ist er wieder dran, und wir diskutieren noch ein wenig, ob ich ihn vor oder nach dem letzten Krieg das letzte Mal besucht habe. Und er hat recht. Der vergangene Sommer ist viel zu lange her. Ich muss bald wieder hoch. Ich vermisse ihn. Das sage ich ihm. Er korrigiert meinen Erbschaftsanteil noch mal nach oben, erinnert mich, dass ein Enkelkind mich zum Alleinerben machen würde, grüßt mich von seiner Geliebten und legt auf.
Ich wähle die nächste Kopenhagener Nummer. Da Sune jeden Morgen um halb sechs
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