Bezueglich Enten und Universen
dazu.
Aber es war nicht das, was mir Sorgen machte.
Ich dachte an die erste Woche nach dem Tag Y zurück, als noch niemand etwas von Professor Singhs Experiment ahnte und die Universen A und B sich gerade erst geteilt hatten und
ihre
Form veränderten: ein Autounfall hier, eine Schlammlawine dort, unterschiedliche Spermien, die andere Eier befruchteten. Als die Nachricht sich verbreitete, mussten sich alle erst einmal an den Gedanken gewöhnen, dass jetzt zwei Versionen von allem existierten. Es war sicher eine Riesensache gewesen. Und ich – nun ja, ich war damals gerade sechs Monate alt.
Aber auch das machte mir eigentlich nichts aus. Aus irgendeinem Grund sorgte ich mich besonders über eine ganz bestimmte konvexe Form. Ich wollte sie loswerden, aber mir gefiel auch der Gedanke nicht, dass jemand anderes sie besaß.
Ich setzte zusammen, was mir durch den Kopf ging: Koffer mit Rädern, Metallkörbe, kastanienbraune Haare, rosaäugige, mopsige Haustiere, kleine tanzende Männchen, Schokoriegel, Paragraf 7 – Moment mal, einen Schritt zurück. Genau. Lebensmittelproben, das Berufsrisiko bei
Wagner’s Kitchen
. Selbst meine verkümmerten Geschmacksnerven erwachten zum Leben, wenn ein neuer Käselaib angeliefert wurde oder ein StapelSchoko-Pekan-Biscotti eintraf (Käse, Schokolade und Nüsse waren Nahrungsmittel, die ich schmecken konnte), und aus diesem Grund schien mein Bauch seinen flachen Zustand verloren zu haben, obwohl ich täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit pendelte.
Nur mal angenommen, Felix B hatte einen ähnlich aufregenden Beruf und einen ähnlich gewölbten Bauch – würde ich gezwungen sein, mir die Haare grün zu färben oder mir einen Spitzbart wachsen zu lassen, nur um mir das Gefühl meiner Einzigartigkeit zu erhalten?
Ich machte mich vor mir selbst lächerlich, und als ich die Augen wieder aufschlug, stellte ich fest, dass wir angekommen waren.
Die Straße vor dem Terminal im Universum B war verstopft mit Individualverkehrsmitteln – Autos. Sie standen Stoßstange an Stoßstange und ihre glänzenden roten, grünen und gelben Lackierungen ließen die Straße aussehen wie einen bunten Früchtekorb, wenn auch lauter. Sie bewegten sich kaum schneller vorwärts als die Fußgänger, die auf dem Gehsteig um mich herumwimmelten. Busse schnaubten vorbei, Verkehrsampeln schalteten hektisch um, ein vollgestopftes Cablecar, bei dem die Passagiere sogar außen auf den Trittbrettern hingen, klingelte heran. Weiter oben senkte sich ein Flieger auf das Dach des Übergangsterminals herab, um Passagiere abzuliefern. Der Berufsverkehr am Freitagnachmittag. Ich hatte davon gehört.
Kein einziges Fahrrad in Sicht. Auch keine Beförderer.
Ich las das Schild an einer nahe gelegenen Straßenlaterne. Hyde Street stand darauf, aber dies war nicht die Hyde Street, die ich so gut kannte und fünfmal die Woche von der Befördererstation bis zu meinem Büro bei
Wagner’s Kitchen
entlangradelte (zehnmal, wenn man den Rückweg mitrechnete). Der Tag war allerdings genauso, wie ich ihn verlassen hatte: kalt, windig und diesig, typisch für den Sommer in San Francisco. Ich kramte meine Jacke aus dem Rucksack und bemerkte dabei, dass ein paar ausgefranste Fäden an einem der Rucksackriemen während des Übergangs originalgetreu restauriert worden waren. Ich verdrängte den unbehaglichen Gedanken, dass ich mich jetzt aus den Molekülen eines anderen Menschen zusammensetzte, strich die Falten aus der Jacke und erblickte dabei die Mathematikerin auf der anderen Straßenseite. Sie hatte die gestreifte Strickmütze wieder aufgesetzt und stand da wie bestellt und nicht abgeholt.
Im Bewusstsein, dass die ein oder andere wichtige Windung in meinem Gehirn möglicherweise während des Übergangs gelöscht worden war, beschloss ich sie anzusprechen. Vielleicht konnte sie mir sagen, wo ich ein Taxi fand, jedenfalls war das mein Vorwand, während ich den Fußgängerüberweg ansteuerte und in die Jacke schlüpfte ...
»Gehen Sie auch sorgsam mit Ihrer Macht um, Bürger?«
Ich fuhr herum, die Jacke erst halb übergestreift. Hellgelbe Roben flatterten im Wind. Der Anführer der Gruppe hielt eine große, eingetopfte Sonnenblume im Arm. »Komm zu uns, Bürger, und lerne sorgsam mit deiner Macht umzugehen«, forderte er mich auf, während er unter dem Blumentopf ein Pamphlet hervorzauberte, das er mir in die Hand zu drücken versuchte. »Wir sind Passivisten, Bürger. Wir versuchen das Universum nicht zu
Weitere Kostenlose Bücher