Bezwungen von deiner Leidenschaft: Roman (German Edition)
beiden im Wintergarten zurück, wo sie die Köpfe zusammensteckten, als Lord Halburne die Feinheiten seines uralten und sehr adligen Stammbaumes erläuterte. Rothewell zog sich seine Stiefel und einen dicken Mantel an und griff nach seinem Spazierstock. Sein Herz war voller Erleichterung und Trauer zugleich – und darunter brodelte die Wut über das, was Valigny getan hatte.
Als er auf die Straße hinaustrat, Trammels missbilligenden Blick ignorierend, fühlte sich Rothewell auf seltsame Weise frei. Er war überzeugt, auch wenn Camille es noch nicht glauben konnte, dass Halburne mit seinen Schlussfolgerungen recht hatte. Und ihm war zumute, als sei eine Last von ihm genommen worden. Die Last von Camilles tief verwurzeltem Kummer. Die Qual, einen Mann tolerieren zu müssen, den er zu verabscheuen begonnen hatte. Valigny war jetzt nichts mehr für ihn – fast nichts.
Was Camille betraf, so musste sie Valigny ganz und gar vergessen. Erst wenn ihr das gelang, würde der albtraumhafteste Teil ihrer Vergangenheit endgültig abgeschlossen sein. Sie musste ihr Leben neu beginnen, mit einem Vater, der sie lieben und schätzen würde als die außergewöhnliche junge Frau, die sie war. Und sie verdiente es, erhobenen Hauptes durch das Leben zu gehen und sich in der Gesellschaft zu bewegen, ohne sich darum zu sorgen, wer ihr begegnen und ihr die Lebensfreude nehmen könnte. Aber am wichtigsten war, dass sie sich sicher sein musste.
Es war das Mindeste, was er unter den gegebenen Umständen tun konnte, entschied Rothewell, während er Mayfair verließ, um die Park Lane entlangzugehen. Er war in seinem Verlangen nach Camille nicht so sehr gefangen, dass er die hässliche Wahrheit nicht sah. Camille hatte ihn geheiratet, weil sie keine Wahl gehabt hatte. Und weil sie sich ungeliebt gefühlt und als nicht liebenswert betrachtet hatte – trotz ihres nach außen hin gezeigten Selbstvertrauens. Ihre Mutter hatte sich egoistisch verhalten und ihr Vater geradezu bösartig.
Am Rand des Hyde Parks blieb Rothewell stehen und starrte blicklos auf die Schwäne, die auf dem Serpentinenteich dahinglitten. Er dachte an den Tag zurück, an dem er mit Camille hier gewesen war. Wie er ihr seine Seele offenbart und auf ihr Urteil gewartet hatte. Auf ihre Verachtung für das, was er seinem Bruder angetan hatte. Aber sie hatte ihm Verständnis gezeigt und mehr Freundlichkeit, als er jemals verdienen könnte.
Jetzt hatte Camille einen Vater; einen Vater, der sie ihr ganzes Leben geliebt hätte, wenn er die Chance dazu gehabt hätte. Und die geliebte Tochter Lord Halburnes – Skandal hin oder her – hätte sich niemals dazu herabgelassen, jemanden wie Rothewell zu heiraten.
Gerade in diesem Augenblick legte Camille vielleicht ihre Hand auf die Halburnes und stieg in seine elegante Kutsche. Sie würde anfangen, sich in jener aristokratischen Welt zu bewegen, von der er gehofft hatte, sie ihr öffnen zu können. Aber als Halburnes Tochter gehörte sie kraft Geburt zu dieser Welt. Würde sie jetzt bedauern, ihn geheiratet zu haben? Es würde kaum zählen. Es war geschehen. Jetzt lag es bei ihm, dass sie diesen Schritt nicht bedauerte. Rothewell ging zurück auf den Bürgersteig. Das Herz war ihm jetzt schwerer als vorher, das ja. Aber dass er sein Vorhaben in die Tat umsetzte, war nur recht und billig.
Bei Tattersall’s war der große Raum für die Mitglieder des Jockey Club’s bis auf die hartgesottensten der Spieler leer. Die seriösen Käufer dieses Tages hatten sich bereits nach draußen begeben, um den Beginn der für den Nachmittag angesetzten Auktion zu erwarten. Wie an den meisten Auktionstagen saß Lord Nash an seinem Ecktisch, wo er Hof hielt, mit seinen Rennstallbesitzer-Kollegen residierte. Heute hatten sie die Köpfe zusammengesteckt, um über einen Eintrag zu diskutieren, der in den Wettbüchern vorgenommen worden war. Einige Gentlemen nickten Rothewell zu, als er sich durch die Menschenmenge schlängelte, andere grüßten ihn mit Namen. Sein Blick glitt über die Köpfe, während er geistesabwesend die Grüße erwiderte.
Als Rothewell den Raum zur Hälfte durchquert hatte, wurde Nash seiner ansichtig und rief laut seinen Namen. Rothewell hob grüßend die Hand, ging aber weiter. Am gewölbten Durchgang, der in den Hof hinausführte, erblickte er seine Beute. Der Comte de Valigny stand dort, mit der Schulter an den Rahmen der Bogentür gelehnt, und gab irgendeine Geschichte zum Besten, die eine Gruppe junger Männer in ihren
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