Bianca Arztroman Band 0011
wollte, und stellte den Motor ab. “Was soll ich also tun, Nick? Offen gestanden weiß ich jetzt überhaupt nicht mehr, wie ich mich in diesem Fall verhalten soll.”
“Hat James sich inzwischen mit dem Psychiater in Verbindung gesetzt, der den Jungen behandelt hat?”, fragte Nick.
“Ja, aber der Mann ist im Urlaub und nur im Notfall zu erreichen. Aber ein Notfall ist Adrian sicherlich nicht, oder?”
“Nein, das ist er nicht, trotzdem schiene es mir ratsam, ihn unter fachärztliche Beobachtung zu stellen”, sagte Nick.
“Dann werde ich James bitten, das Notwendige zu veranlassen. Vielen Dank, Nick, dass ich mit dir darüber sprechen konnte. Und jetzt werde ich nach Fred sehen. Bleibst du so lange im Wagen sitzen?”
“Mach dir keine Sorgen. In diesem Gelände könnte ich mit meinem Rollstuhl sowieso nicht spazieren fahren.”
Abbie stieg aus und lief auf das Bauernhaus zu. Noch einmal blickte sie zurück und sah, dass Nick ihr winkte. Wie in alten Zeiten, dachte sie wehmütig.
“Ich bin sehr zufrieden mit Ihnen, Fred”, sagte Abbie, nachdem sie den Mann untersucht hatte. “Ihr Blutdruck ist in Ordnung, und Sie haben auch nicht mehr diese Schwindelanfälle?”, fragte sie.
Fred Murray schüttelte den Kopf. Er war jetzt Ende sechzig und hatte sein Leben lang als Farmer schwer gearbeitet. Seit einigen Jahren hatte sein Sohn Peter den Betrieb übernommen, aber Fred half ihm noch tüchtig.
“Nein, ich fühle mich viel besser. Diese Narkose hat mir ganz schön zugesetzt.”
“Die Wunde ist gut verheilt, und ich schätze, dass Sie jetzt auch keine Schwierigkeiten mehr haben, wenn Sie …”
Fred winkte eilig ab, als Abbie auf die Nebenwirkungen der Operation zu sprechen kam. Die meisten Männer wollten nicht mit einer Frau über diese heiklen Probleme sprechen, auch nicht mit einer Krankenschwester.
“Gut, dann ist ja alles in Ordnung”, sagte Abbie. “Ich kann Sie also von der Liste der Hausbesuche streichen. Wie geht es Ihrem Urenkel? Haben Sie ihn schon gesehen?”
“Ja, gestern. Er ist ein hübscher kleiner Bursche und ähnelt seinem Vater Billy, als der ein Baby war”, erzählte Fred stolz.
“Und wie kommen Peter und Iris damit zurecht, jetzt, wo das Baby da ist?”, fragte Abbie.
Er nickte und erzählte kurz, wie ablehnend sich sein Sohn und dessen Frau dem Baby, ihrem ersten Enkelkind, und der jungen Mutter gegenüber verhielten. Abbie bedauerte dies ebenso sehr wie Fred, andererseits konnte sie die frisch gebackenen Großeltern verstehen. Billy und Sophie waren schließlich noch Teenager. Zum Glück standen Sophies Eltern ihrer Tochter zur Seite, und Billy versuchte, wo er konnte, sich wie ein verantwortungsvoller Vater zu verhalten.
Fred begleitete Abbie hinaus zu ihrem Wagen. Als er Nick sah, brachte er sein Bedauern über den Unfall zum Ausdruck. “Aber es ist gut, dass Sie sich nicht aufgeben, schon gar nicht, wo so ein hübsches Mädchen wie dieses hier sich um Sie kümmert.”
Hastig ließ Abbie den Motor an. Vor Verlegenheit war sie ganz rot geworden. Schnell rief sie Fred Murray einen Abschiedsgruß zu, dann fuhr sie aus dem Hof zurück auf die Landstraße.
“Genau das werden alle Leute sagen, wenn sie mich mit einer Frau sehen: dass ich mich glücklich schätzen kann, jemanden zu haben, der sich um mich kümmert.”
Diese bitteren Worte taten Abbie weh. Sie hielt an und wandte sich Nick zu. “Sei nicht dumm, Nick”, sagte sie. “Alle sagen so etwas nicht.”
“Nein?” Nick lächelte resigniert. “Sei ehrlich, Abbie, was sollte eine gesunde junge Frau schon mit mir anfangen? Was könnte ich ihr geben?”
“Dich könntest du ihr geben, dich selbst. Du bist doch immer noch der Mann, der du vorher warst, Nick. Bloß weil du nicht mehr laufen kannst, hat sich doch an deiner Persönlichkeit nichts verändert.”
“Derselbe Mann, der nicht mehr die Dinge tun kann, die er gern tun würde.” Nick fasste ihr Kinn und sah ihr tief in die Augen. “Ich könnte eine Frau nicht beschützen, wenn sie Schutz braucht. Ich könnte nicht zu ihr gehen, wenn sie verletzt würde und Hilfe brauchte. Ich könnte sie nicht mal in die Arme nehmen und sie lieben. Was für ein Mann ist das, Abbie? Sag es mir!”
“Bitte sag nicht so etwas, Nick! Du quälst dich unnötig selbst.” Offenbar hatte er an seine Verlobte gedacht, als er solche Gedanken aussprach. Abbie wusste, das ihm ihre Meinung nichts bedeutete, die einzige Frau, die seine Selbstachtung wiederherstellen konnte, war
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