Bianca Arztroman Band 0011
letzte Schmerzattacke durch Überanstrengung ausgelöst worden.”
“Das kann gut sein. Ich muss eben erst lernen, meine Grenzen zu erkennen. Wie es auch sei, es tut mir leid, dass ich deinen Feierabend verdorben habe.”
“Das hast du gar nicht. Adam hatte mich schon zeitig nach Hause gebracht, weil er morgen zu einer Konferenz nach Edinburgh fährt.”
“Ich denke, er wird irgendwann einmal von sich hören lassen. Jedenfalls danke ich dir, dass du gekommen bist.”
Abbie spürte, dass Nick jetzt allein sein wollte. Sie sprach noch ein paar Worte mit seinen Eltern und versicherte ihnen, dass es Nick jetzt besser ging. Als sie in ihr Auto stieg, fühlte sie sich wieder so unsicher wie eh und je. Nick war so lieb und teilnahmsvoll gewesen, als sie ihm von ihrem Schmerz um Megan erzählte, und plötzlich war wieder die Barriere zwischen ihnen. Warum nur?
Als Abbie am nächsten Morgen in die Praxis ging, um sich einige Unterlagen zu holen, lief sie David über den Weg.
“Gut, dass ich dich sehe, Abbie. Hast du ein paar Minuten Zeit für mich?”, fragte er.
Sie folgte ihm in sein Sprechzimmer. “Gibt es Probleme?”
“Ja und nein. Als Erstes: Wie ging es Nick, als du ihn gestern Abend verlassen hast?”
“Viel besser. Er hatte anscheinend sehr große Schmerzen gehabt.”
“Ja, er war wie gelähmt, als ich ankam. Und er gab freimütig zu, dass er diese Muskelkrämpfe nicht zum ersten Mal hatte. Er muss unbedingt physiotherapeutisch behandelt werden, am besten jeden Tag. Aber man kann von ihm nicht verlangen, dass er täglich ins Krankenhaus und wieder zurück fährt. Das wäre viel zu anstrengend für ihn”, meinte David.
“Vielleicht weiß ich einen Ausweg”, sagte Abbie. Sie dachte an ihr Gespräch mit Len Parker und erwähnte in kurzen Worten, dass Mary Parker Physiotherapeutin und zur Zeit ohne Arbeit war.
David nickte. “Vielleicht würde sie Nick als Privatpatienten behandeln? Erst muss ich mich allerdings nach ihren Fähigkeiten erkundigen, aber das dürfte kein Problem sein. Wenn sie gut ist, könnte sie vielleicht auch in unserer Praxis helfen. Viele unserer Patienten brauchen Krankengymnastik. Aber erst einmal muss ich mit den Kollegen darüber sprechen. Meiner Ansicht nach wäre dies für alle Beteiligten eine gute Lösung.”
“Mary wäre sicher glücklich über ein solches Angebot”, sagte Abbie. “Ihr Mann erzählte mir, dass sie sich finanziell nicht gut stehen, seit Mary ihren Job verloren hat.”
“Ich werde mich gleich heute Nachmittag darum kümmern. Die andere Sache ist, dass James mich fragte, ob du von morgen an Adrian Shaw auf die Liste deiner Hausbesuche setzen könntest. Er hätte dich gern selber gefragt, aber er wurde zu einem Notfall gerufen. Würdest du diesen Fall übernehmen?”
“Ich habe nichts dagegen. Du weißt, dass zu meiner Ausbildung auch die psychologische Betreuung von Patienten gehörte. Ich hoffe also, dass ich mit Adrian fertig werde.”
“James hatte ein langes Gespräch mit Harry und Rose, und sie haben zugegeben, dass sie sich Sorgen um ihren Sohn machen. Es würde allen gut tun, wenn du dich um Adrian kümmerst”, sagte David erleichtert.
“Vielleicht fahre ich gleich bei den Shaws vorbei und sage ihnen, dass ich von jetzt an regelmäßig komme.”
“Das ist eine gute Idee. Danke, Abbie.”
Sie fuhr in die Stadt und stellte ihren Wagen auf dem Parkplatz des Lokals ab, den die Shaws betrieben. Rose empfing Abbie an der Haustür und wies ihr den Weg zu Adrians Zimmer im ersten Stock.
Abbie war entsetzt über das ungepflegte Aussehen des jungen Mannes. Er wollte sie auch gar nicht in sein Zimmer lassen, doch sie bestand darauf.
“Du erinnerst dich doch an mich, nicht wahr?”, fragte sie. “Ich habe vor ein paar Tagen mit dir gesprochen.”
“Ja.” Er ging ans Fenster, strich die halb zugezogenen Gardinen zurück und blickte hinaus.
“Deine Mutter hat dir wahrscheinlich schon gesagt, dass ich von jetzt an aufpassen werde, dass du jeden Tag deine Medikamente nimmst.” Sie blickte sich im Zimmer um und sah eine Menge Fotos an den Spiegel über der Kommode geheftet. Waren es Fotos von Trisha Shepherd? Es war aus der Entfernung nicht genau zu erkennen, doch als Abbie näher an den Spiegel herantreten wollte, drehte Adrian sich um und machte sich an der Kommode zu schaffen. Er wollte offenbar nicht, dass Abbie die Fotos betrachtete.
“Die beobachten mich, nicht wahr? Die denken, ich weiß das nicht, aber ich weiß es. Deswegen
Weitere Kostenlose Bücher