Bianca Arztroman Band 0011
bürgerliche Palette, auf die die meisten Frauen so scharf waren?
Aber vielleicht war sie anders? Vielleicht wollte sie keine Bindung mehr! Vielleicht machte sich Josh unnötige Sorgen! Es konnte doch sein, dass Anna heimlich die Tage zählte, bis die Kids das Haus verlassen hatten und sie endlich wieder frei war! Frei zu tun und zu lassen, was sie wollte! Oh ja, er kannte das Gefühl! Ihm war es früher ebenso ergangen!
Früher, das war vorbei! Die Gegenwart mit ihren ungewohnten Turbulenzen hatte ihn derzeit fest im Griff und sorgte für beträchtliche Verwirrung!
Er sah sich um. Anna war verschwunden! Panik ergriff ihn. Er rannte aus dem Saal, lief über den langen Korridor, blickte in jedes leere Zimmer. Vergeblich. Dann hörte er ein Geräusch. Oben auf der Feuertreppe. Er nahm zwei Stufen auf einmal. Und fand sie. Hinter der Tür, an die Wand gelehnt. Tränen liefen ihr über die Wangen.
Er nahm sie in die Arme und ließ sie weinen. Dann gab er ihr sein Taschentuch.
“Willst du reden?”, fragte er ruhig.
Sie putzte sich die Nase. “Es tut mir leid”, sagte sie leise. “Ich wollte nicht, dass mich jemand findet. Ich habe Ryan Wallace getroffen. Er war Teds Onkologe, bevor wir nach Huntley zogen. Wir wussten, dass Ted verloren war, aber Ryan hat wenigstens versucht, ihn vor den schlimmsten Schmerzen zu bewahren … soweit das möglich war.” Sie schluckte. “Nach Teds Tod haben wir den Kontakt verloren. Das unverhoffte Wiedersehen hat alles aufleben lassen. Die schrecklichen letzten Monate, die Schmerzen, die trotz der Medikamente kaum auszuhalten waren … und meine Schuldgefühle.”
“Schuldgefühle? Warum?”, fragte Pete. “Du hast alles für ihn getan, nicht wahr?”
“Nicht alles. Ich habe ihm nicht die erlösende Spritze gegeben. Obwohl ich wusste, dass er es wollte … ab einem bestimmten Moment. Ich hätte ihm viel ersparen können. Ich habe es nicht getan. Ich konnte es nicht. Da waren seine Kinder. Sie waren noch so jung … Und ich hoffte immer noch auf ein Wunder!” Sie senkte die Stimme. “Ich habe ihm nicht geholfen, Pete.”
“Du weißt, dass wir lernen, Leben zu erhalten, Anna. Nicht umgekehrt. Ted war Arzt. Er kannte seine Prognose. Er kannte die Krankheit und ihre Folgen. Er hätte sich frühzeitig mit Morphium eindecken können, wenn er gewollt hätte. Es war seine Entscheidung. Nicht deine, Anna.”
Sie nickte, und er spürte, wie sich ihr verkrampfter Körper langsam entspannte. Er presste sie fester an sich, beugte sich über sie und küsste sie leidenschaftlich. Er wollte alles in ihr auslöschen, alles, bis auf diesen Kuss. Allen Kummer, aber auch Ted Cranes Bild in ihrem Kopf!
Anfangs überließ sie sich ihren Gefühlen, gab sich seiner Erregung hin. Sein Verlangen nach ihr wurde heftiger. Es war ihm unmöglich, sie loszulassen.
Plötzlich schob sie ihn fort, befreite sich aus seinen Armen und rannte wie ein gehetztes Tier die Stufen hinunter.
Er blieb oben. Hörte ihre eiligen Schritte. Stufe für Stufe, bis es still wurde. Dann holte er tief Luft. Er hätte sie nicht küssen dürfen! Nicht hier! Nicht an diesem Ort und zu diesem Zeitpunkt!
Er musste versuchen, seine Besessenheit zu überwinden. Sie war seine Kollegin! War das so schwer zu verstehen? Warum machten Bill oder Ken ihr nicht endlich den längst fälligen Heiratsantrag? Was war los mit den Burschen?
Je eher sie verheiratet war, desto besser. Er würde sein Leben wieder in den Griff bekommen. Vielleicht sollte er zwei oder drei Monate unbezahlten Urlaub nehmen, um als Schiffsarzt die Meere der Welt zu bereisen.
Das war immer ein Traum von ihm gewesen!
8. KAPITEL
Pete stürzte sich in Aktivitäten. Erkundigte sich nach Schifffahrtslinien, die einen Arzt suchten. Traf Alex, noch einen alten Freund aus der Clique um Bill, und machte ihn mit Anna bekannt. Durchforstete systematisch die Personalliste des Huntley-Hospitals, auf der Suche nach passenden männlichen Singles und fand, dass es von attraktiven Kandidaten für Anna nur so wimmelte!
Die Woche verging. Die nächste kam. Nichts änderte sich. Dann rief David an. “Am Donnerstag nach Dienstschluss findet das erste Meeting bei uns in der Ambulanz statt”, sagte er.
“Meeting?”, wiederholte Pete verständnislos.
David seufzte gequält. “Das Gesundheitsvorsorgeprogramm für die Angestellten unserer Klinik”, erinnerte er. “Sag nur, du weißt nicht mehr, dass der Vorschlag aus deiner Abteilung kam!”
Er riss sich zusammen und
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