Bianca Arztroman Band 0011
wollte.” Sie zuckte die Schultern. “Wie auch immer, meine letzte Pflegefamilie lebte in der Nachbarschaft der Cranes. Manchmal brauchten Sylvia und Ted einen Babysitter für ihre Kids. Ich nahm den Job an, und sie waren zufrieden. Keiner war überraschter als ich selbst! Wie konnten sie mir ihre Kleinen anvertrauen? Ich hatte den schlechtesten Ruf weit und breit! Aber sie taten es.”
Pete lächelte. “Vielleicht haben sie den berühmten weichen, guten Kern hinter der stachligen, harten Schale gespürt”, meinte er, und ihr Lächeln vertiefte sich.
“Vielleicht”, gab sie zu. “Jedenfalls war es Ted, der mich entdeckt hat! Er hat festgestellt, dass ich einen ganz passablen Verstand mitbekommen habe, und er hat mir vorgeschlagen, ihn für mich zu nutzen, anstatt ihn gegen mich zu wenden. Das hat mich überzeugt. Ich hatte noch zwei Jahre High School vor mir, und bei der Abschlussfeier gehörte ich zu den Ersten. Aus der renitenten, aufsässigen, faulen Schülerin war so etwas wie ein Vorzeigeexemplar geworden! Alle waren des Lobes voll! Und ich? Ich folgte meinem Idol Ted Crane in die Medizin. Ich habe ihn aus Liebe geheiratet, nachdem Sylvia gestorben war. Aber es war keine gewöhnliche eheliche Liebe. Es war die Liebe zu einem Menschen, der an mich geglaubt hat, als es mir sehr schlecht ging. Wäre Ted nicht gewesen, ich glaube nicht, dass ich aus freien Stücken noch einmal umgekehrt wäre. Ich war noch sehr jung, aber ich war fertig mit den Menschen. Mit dem Leben. Ted hat mich motiviert und mir gezeigt, dass es noch einen anderen Weg gibt. Auch Sylvia und Jackie und Josh gehörten dazu. Sie waren meine Familie.”
Er sah, dass sie ihn immer noch vermisste. Ihre Augen waren traurig, und am liebsten hätte er sie in die Arme genommen und getröstet. Aber natürlich war das unmöglich … und viel zu gefährlich!
“Wenn Josh das Bedürfnis hat, mit einem Mann über gewisse Probleme zu sprechen, dann kann er zu mir kommen”, hörte er sich sagen. “Mit Jackies Fragen wirst du allein zurechtkommen, denke ich.”
Sie nickte. “Sicher. Ich kann mit den Kids über Sex reden. Auch wenn ich keine eigenen Erfahrungen habe.”
Er schwieg und überlegte, ob Bill oder Alex oder Ken sie unter Druck setzten, was diesen Punkt betraf. Wut stieg in ihm auf. Die Kerle wollten auf ihre Kosten kommen! Unwillkürlich ballte sich seine Hand zur Faust.
Kim betrat das Zimmer. “Ein Mann mit einer Platzwunde an der Stirn”, rief sie und verschwand wieder.
“Ich gehe”, erklärte Pete und ging zur Tür. Die Ablenkung tat ihm gut.
Das merkwürdige Gespräch zog eine ebenso merkwürdige Entfremdung nach sich. Sie gingen sich aus dem Weg, soweit das in der Enge möglich war.
Pete sagte sich, dass es gut war. Es war das, was er gewollt hatte. Abstand. Distanz. Nur … es nützte nichts! Je weiter Anna sich entfernte, innerlich auf Abstand ging, desto aufregender und begehrenswerter fand er sie!
Ein verflixtes Dilemma!
“Die Polizei will dich sprechen”, verkündete Margie ein paar Tage später. “Es geht um die kleine Wilson.”
Pete sah auf die Uhr. Später Vormittag. Der Morgen war ruhig gewesen, und er hatte die Gelegenheit genutzt, den liegengebliebenen Papierkram aufzuarbeiten. Er schob die Akten zur Seite, als der Polizist den Raum betrat.
“Es war ein Einbruch”, berichtete Colin Wright. “Die Geschädigten haben Anzeige erstattet. Ich muss mit der Person sprechen, die den gestohlenen Schmuck bei dem Mädchen gefunden hat. Sie soll als Zeugin aussagen.”
Pete nickte, stand auf und kam wenig später mit Anna zurück.
“Ja, ich habe den Schmuck in ihren Taschen entdeckt”, sagte sie. “Aber ich möchte nicht vor Gericht gegen das Mädchen aussagen.” Sie warf Pete einen raschen Blick zu, ehe sie weiter sprach. “Im Augenblick gehöre ich zu den wenigen erwachsenen Freunden, die das Kind hat.”
Das also war der Grund, warum sie so blass und müde aussah! Wieder einmal war sie in die Florence-Nightingale-Rolle geschlüpft!
“Ihre Eltern haben sie nach ein paar Tagen in eine private Klinik bringen lassen”, fuhr sie fort. “Ich hatte Naomi versprochen, sie weiter zu besuchen. Und genau das tue ich. Ihre Eltern haben kaum Zeit. Abends machen sie einen Anstandsbesuch, der nie länger als zehn Minuten dauert. Sobald sie gegangen sind, komme ich. Wenn ich nicht kann, dann vertreten mich meine Kinder.”
Pete schüttelte empört den Kopf. “Das muss aufhören, Anna”, erklärte er, ohne
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