Bianca Exklusiv 0189
Nur ihr ehemaliges Zimmer war noch möbliert. Bett, Waschtisch und Bücherregal standen noch darin. Esme hatte bisher keine Zeit gehabt, die Möbel ins Cottage zu schaffen.
„Dein Zimmer?“, fragte Jack. Er las gerade die Titel der Bücher, die im Regal standen.
Sie nickte.
„Wohnst du noch hier?“
„Nein“, antwortete sie kurz angebunden. „Sobald das Haus verkauft ist, werden die Sachen von hier verschwinden.“
„Wo wohnst du jetzt?“
„In der Nähe, am Ort“, antwortete sie bewusst vage.
„Bist du verheiratet?“
Die Frage ärgerte sie. „Mit wem könnte ich schon verheiratet sein?“
„Nun, da gab es doch diesen Jungen, der in der Nähe wohnte“, meinte er lächelnd. „Du bist immer mit ihm ausgeritten. Der Blonde, der mehrere Brüder hatte.“
Esme wusste, wen er meinte. Henry Fairfax. Mit dem hatte sie aber nie etwas gehabt. „Jack, du bist fast zehn Jahre fort gewesen“, sagte sie. „Glaubst du, dass das Leben der Menschen hier nicht weitergegangen ist?“
„Berechtigte Frage.“ Er machte ein bedauerndes Gesicht. „Wenn man Menschen längere Zeit nicht gesehen hat, kann man sich eben nicht vorstellen, dass und wie sich die Menschen verändert haben.“
Vermutlich hatte er recht. Wenn Esme heute an Jack Doyle dachte, dann an den jungen Jack, an den, den sie geliebt, ja angehimmelt hatte.
Jetzt stand er hier vor ihr, wirklich und wahrhaftig. Und das ärgerte sie.
„Was machst du denn heute so?“, fragte er lächelnd.
Interessierte ihn das wirklich? Hatte er denn jemals Notiz von ihr genommen, wenn Arabella dabei gewesen war?
„Ich kümmere mich um die Häuser anderer Leute“, antwortete sie.
„Kümmern? Inwiefern?“
Sie blickte ihn kurz an und wusste, was er dachte. Du liebe Güte! Er glaubte tatsächlich, ihrer Familie ginge es schlecht! Fast amüsierte sie sich. „Wie kümmert man sich normalerweise um Häuser?“
„Du putzt?“, fragte er ungläubig.
Nein, in Wirklichkeit war sie Innendekorateurin. Sie genoss es, ihn so verwirrt zu sehen. „Wieso, hast du damit ein Problem?“
„Natürlich nicht.“ Seine Mutter, eigentlich Köchin, hatte für die Scott-Hamiltons auch sauber gemacht. „Ich kann es mir nur nicht so recht vorstellen bei dir.“
„Nun, so ist das Leben“, philosophierte Esme. „Von dir habe ich mir auch nicht vorstellen können, dass du einmal ein großer Geschäftsmann wirst.“
„Das stimmt wohl nicht ganz“, wehrte er ab. „Ich entwerfe und verkaufe Websites. Damit kann man momentan sehr viel Geld verdienen.“
Er klang immer noch bescheiden. Auch als junger Mann hatte Jack niemals über- oder untertrieben. In der Schule und auf dem College hatte er stets beste Noten bekommen, hatte damit jedoch nie angegeben. Esmes Vater war der aufgeweckte Junge aufgefallen, und er hatte ihn gebeten, der elfjährigen Esme Nachhilfeunterricht zu geben, was Jack dann auch getan hatte.
Esme lenkte ihre Gedanken wieder auf die Gegenwart. „Und Geld ist wichtig?“, fragte sie, nur um etwas zu sagen.
„Es ist wichtig, wenn man keins hat“, antwortete er relativ gleichmütig.
Sie widersprach ihm nicht. Sie wusste, er sprach aus Erfahrung. Seine Mutter war gleich nach seinem Abschlussexamen an Krebs gestorben. Sie hielt ihre Krankheit fast bis zum Schluss geheim. Zusammen mit Jack machte sie noch einmal in ihrem Heimatland Irland Urlaub und starb dann auch dort. Sie hinterließ Jack lediglich das Geld für die Beerdigung. Jack hatte sich seine Trauer nicht sehr anmerken lassen.
Esme beobachtete ihn jetzt. Er stand am Fenster und blickte hinaus auf den Hof, die Ställe und den dahinter liegenden Wald. Im Herbst, wenn die Bäume kahl wurden, konnte man gerade noch den Schornstein des Häuschens erkennen, wo Jack damals mit seiner Mutter gelebt hatte. Doch jetzt war Frühling, und das Häuschen nicht zu sehen.
Schließlich sagte er: „Das Cottage ist vermietet, richtig?“ „Ja, das stimmt. Du weißt doch, dass es nicht verkauft werden soll?“, fragte sie und bemühte sich, gelassen zu bleiben.
Er drehte sich zu ihr um. „Nein, das wusste ich nicht. Es wird in der Beschreibung nicht erwähnt.“
Sie sah auf den Faltprospekt in seiner Hand. Die Details, die der Makler angegeben hatte, waren ihr nicht bekannt. Sie hatte einfach geglaubt, was ihre Mutter ihr erzählt hatte.
„Ich kann mir nicht ganz vorstellen, wie man es abtrennen könnte“, fuhr er fort. „Es steht doch mitten auf dem Grundstück.“
„Ja, das stimmt.“
Jack zuckte
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