Bianca Exklusiv 0189
die Familie in ein Chaos zu stürzen?“
„Das kommt in Sturmhöhe vor.“
Er nickte, blickte aus dem Fenster und sah auf die Steinterrassen und die Rasenflächen, die zu den ungenutzten Tennisplätzen führten. Dann betrachtete er den Irrgarten und den kleinen Teich, der dahinter lag. „Nun ja, das hier ist ja auch nicht Heathcliff. Ich glaube auch nicht, dass Cathy , die Heldin des Romans, da draußen nach mir ruft.“
Wieder machte er sich lustig. Doch Esme wusste, wie sie ihm das Lachen austreiben konnte. „Du meinst wohl eher Arabella?“
„Arabella?“ Er verzog den Mund zu einer schmalen Linie. „Die große Liebe meines Lebens, meinst du?“
Esme war überrascht, dass es immer noch wehtat.
„Da muss ich dich leider enttäuschen. Ich habe mich nämlich weiterentwickelt, habe noch zwei, drei andere große Lie ben gehabt.“
„Wie wundervoll für dich, und die Frauen, natürlich“, erwiderte Esme betont freundlich. Sie verbarg ihre wahren Gefühle hinter Sarkasmus. Was sonst konnte sie schon tun? Ihm erzählen, welch schwere Zeit sie gehabt hatte, während er es sich hatte gut gehen lassen? Außerdem stimmte das auch nicht ganz. Sie und Harry waren ja eigentlich glücklich.
Einen Moment lang wirkte Jack überrascht. Das war ja eine ganz andere Esme als früher.
Sie ging jetzt vor ihm zur Galerie im ersten Stock hinauf.
„Egal. Es ist übrigens eher Zufall, dass wir den Landsitz kaufen wollen.“
Wir? Meinte er damit die Firma, oder gab es da noch eine andere Person?
„Wir brauchen einen Standort in der Nähe von London. Sussex ist gut gelegen für den Kontinent, und Highfield ist eine von den drei Möglichkeiten, die uns die Agentur angeboten hat“, erklärte er, während Esme ihm den ersten der zwölf Räume im Obergeschoss zeigte. „Unglücklicherweise ist unsere erste Wahl bereits verkauft und die zweite für gewerbliche Nutzung nicht genehmigt. Also bleibt nur noch Highfield übrig.“
Es hörte sich an, als müsste er sich nun wohl oder übel mit dem Landsitz begnügen. Esmes geliebtes Zuhause, der schönste Landsitz der Gegend. „Na, macht nichts“, sagte sie wieder gefasst und durchschritt die Räume wie ein übereifriger Immobilienmakler. „Zumindest hat es einen großen Vorteil.“
„Und der wäre?“ Jack war ihr die ganze Zeit über brav gefolgt. Damit sie endlich einmal stehen blieb, lehnte er sich jetzt gegen einen Türrahmen.
„Nun, du könntest ja behaupten, es wäre der Sitz deiner Familie“, schlug sie ihm vor. „Das würde deine neureichen Freunde mächtig beeindrucken.“ Bevor sie den Satz zu Ende gesprochen hatte, wusste sie, dass sie zu weit gegangen war, aber es war ihr egal. Sie wollte ihn verletzen, wie er sie verletzt hatte. Niemals sollte er erfahren, wie sehr sie seinetwegen gelitten hatte.
Einen Augenblick lang schwieg Jack. Esme hatte sich wirklich sehr verändert. Nun ja, der Landsitz würde ihr nicht mehr lange gehören. Entweder kaufte er ihn oder jemand anders. Das hatte jedenfalls der Makler gesagt. Sicherlich wäre es reizvoll, wenn Rosalind Scott-Hamilton erfahren würde, dass der Sohn der Köchin das stattliche Anwesen gekauft hatte. Sollte es sich aber als ungeeignet erweisen, würde er es nicht erwerben. „Da ist etwas dran“, erwiderte er trocken. „Ein Wappen über der Tür und mein Porträt über dem Kaminsims. Das meinst du doch?“
Esme hatte das Gefühl, er machte sich schon wieder über sie lustig.
„Ich beauftrage dich damit, wenn du willst“, fügte er hinzu.
„Mich?“
„Du bist doch Künstlerin, wenn ich mich recht erinnere?“
„Das gehört der Vergangenheit an.“
„Du wolltest doch die Kunsthochschule besuchen?“
Das hatte Esme beabsichtigt, aber es war nicht dazu gekommen. „Nein, ich habe etwas anderes gemacht“, sagte sie.
Jack wartete auf weitere Erläuterungen, doch sie schwieg. Er vermutete, dass Esme, ebenso wie ihre Schwester, die normale Debütantinnenlaufbahn hinter sich hatte. Ob sie das wohl so sehr verändert hatte?
„Möchtest du die anderen Zimmer auch noch ansehen?“, fragte Esme betont locker.
„Möchtest du das Haus verkaufen?“
Sie errötete. Wollte sie verkaufen? Nein, sie musste verkaufen. „Es tut mir leid“, stieß sie hervor. „Ich war nur nicht mehr sicher, ob du noch interessiert bist.“
„Nun, ich muss mir aber erst einmal alles ansehen.“
„Genau.“ Esme ging weiter. Während der Führung wurde ihr bewusst, wie leer und vernachlässigt das gesamte Haus aussah.
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