BIANCA EXKLUSIV Band 0174
mitten im Sommer widersinnig erschien.
Sie nahm sich die Brille ab und lief zu dem kleinen Mann, der resigniert einen geplatzten Reifen am Wagen inspizierte. „Sind Sie in Ordnung?“, rief sie.
„Mehr oder weniger“, erwiderte er ironisch.
„Sie sind das!“ Neill eilte hinzu. „Sie haben mich gestern Abend vom See zum Hotel mitgenommen.“
Der Mann blickte zu ihm auf. „Neill Bellamy, stimmt’s?“
Die beiden schüttelten sich die Hand. „Bianca, das ist Tully.“
„Ich dachte, Sie wären auf der Hochzeit.“
„Es gibt keine Hochzeit.“
Ein entrüstetes Gezeter ertönte aus dem Lieferwagen. Bianca blinzelte und erblickte Lattenkisten mit irgendetwas Lebendigem. Hühner! Das erklärte den Schnee, der in Wirklichkeit aus Federn bestand.
„Ich musste den Reservereifen ausladen, um Platz für diese Vögel zu schaffen, die ich zum Markt bringe. Ich rufe meinen Sohn an und lasse ihn mir bringen“, erklärte Tully und ging zur Fahrerkabine.
Bianca nahm sich den Helm ab, warf ihn in den Beiwagen und setzte sich auf die niedrige Steinmauer am Straßenrand.
„Nun, so viel also zum Alleinsein.“ Neill stellte einen Fuß auf die Mauer. „Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass wir bei ihm warten. Vielleicht muss ich Hilfe holen, falls sein Sohn nicht kommt.“
„Oh, er wird kommen“, warf Tully ein. „Nach den Spätnachrichten, hat er gesagt. Haben Sie Hunger?“
„Wir haben gerade gegessen“, erwiderte Bianca.
„Ich habe eine Dose Spaghetti dabei. Ich könnte ein Lagerfeuer machen und sie aufwärmen.“
„In Kolumbien kriege ich nicht oft Spaghetti“, warf Neill eifrig ein.
Bianca seufzte. Sie bekam genügend Spaghetti in Italien, wo sie in diesem Augenblick zu sein wünschte. Dort hätte sie in ihrem eigenen Bett gelegen und geschlafen. Dort hätte sie sich nicht mit geplatzten Hochzeiten oder mit Hühnertransporten bei Mondschein oder mit Neill Bellamy befassen müssen.
Der sie mit einem zärtlichen Ausdruck in den Augen anblickte. Zärtlichkeit? Wo kam die denn her?
„Du bist wirklich kein Spielverderber, Bianca.“
„Ich fühle mich aber so. Ich wäre nämlich lieber woanders.“
„Vielleicht hilft dir das.“ Er ging zum Motorrad und holte die Flasche Champagner und zwei Gläser aus dem Beiwagen. Dann brachte er Bianca die Decke und legte sie ihr um die Schultern.
Mittlerweile entfachte Tully ein Feuer auf der anderen Seite der Mauer.
„Tully?“, rief Neill. „Haben Sie schon mal Champagner getrunken?“
„Ich bin eigentlich Biertrinker, aber ich probiere gern.“
Neill und Bianca stiegen über die Mauer und setzten sich an das Feuer, in dessen Mitte Tully eine riesige Dose Spaghetti auf einem Steinhaufen platziert hatte. Schon bald begann die Sauce zu blubbern, und er holte Pappteller und Plastikgabeln hervor und teilte das Essen aus. „Ich habe immer Proviant bei mir. Man weiß ja schließlich nie, was einem alles passieren kann.“
Bianca hatte nicht viel Appetit und starrte in ihr Glas. Neill hingegen aß begierig. Das Gackern der Hühner hatte beträchtlich abgenommen.
„Warum findet die Hochzeit nicht statt?“, erkundigte sich Tully.
„Hauptsächlich, weil wir Bellamys sind“, erwiderte Neill.
„Oh, es ist also diese Hochzeit der feinen Gesellschaft mit den Hubschraubern und so?“
„Genau die.“
„Dann kennen Sie den Brezel-König?“
„Ich bin sein Sohn.“
„Das sind verdammt gute Brezeln. Ich esse sie seit meiner Kindheit.“
„Ich auch“, sagte Neill belustigt. „Da sie Ihnen so schmecken, werde ich Ihnen einen Karton schicken.“
„Prima. Und Sie, Bianca, sind die Tochter des Brezel-Königs?“
Ihr war nicht danach zumute, die verzwickten Familienverhältnisse zu erläutern und einzugestehen, dass sie für kurze Zeit dazugehört hatte. „Eigentlich nicht“, entgegnete sie ausweichend.
„Ich habe sie heute gebeten, mich zu heiraten“, verkündete Neill.
Bianca erstarrte. Warum erwähnte er es gegenüber einem Wildfremden?
Tully musterte sie ernst. „Haben Sie Ja gesagt?“
Sie stellte ihren vollen Teller auf den Boden. „Nein.“
„Hm.“ Tully musterte Neill. „Mir scheint, dass Sie es schlechter hätten treffen können, junge Dame, auch wenn es mich eigentlich nichts angeht. Neill scheint ein sehr netter junger Mann zu sein. Warum haben Sie Nein gesagt?“
Neill warf ihr einen verschlagenen Blick zu. „Ja, Bianca, warum eigentlich?“
Sie musterte eine Hühnerfeder, die sich in ihrem Hosenbein verfangen hatte.
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