BIANCA EXKLUSIV Band 0180
dem ich arbeite.“
„Du bist die erste Volkskundlerin, die ich kenne.“
„Das überrascht mich, dabei gibt es gerade in diesem Teil von Virginia so viele Legenden, die es wert wären, katalogisiert zu werden.“
„Vielleicht. Ich lebe auch erst seit Kurzem in Virginia, vor drei Jahren bin ich aus Atlanta hierhergezogen. Das war übrigens auch um die Weihnachtszeit, und ich glaube, ich bin sogar deswegen umgezogen, weil ich diesem ganzen Weihnachtsgetue aus dem Weg gehen wollte, an dem ich nicht teilhaben konnte.“
„Nun, ich bin in einer kleinen Familie aufgewachsen, ich bin ein Einzelkind. Aber ich habe dieses Getue stets geliebt“, erklärte sie. „Ich nehme an, dass ich sehr verwöhnt worden bin. Ich habe eigentlich immer alles bekommen, was ich mir zu Weihnachten gewünscht habe. Alles erfüllbare Kinderwünsche, natürlich: ein Fahrrad, ein Hund, eine Puppe. Es hätte wenig Sinn gehabt, mir den Mond auf einem Silbertablett zu wünschen.“
„Diese drei Wünsche, die du immer noch aussprichst, kommst du dir dabei nicht ein wenig seltsam vor? Ich meine, jetzt, da du erwachsen bist.“
„Warum sollte ich? Wünsche können in Erfüllung gehen, Jack. Es gibt wirklich so etwas wie Magie, und Wunder können jederzeit geschehen“, erklärte sie.
„Unsinn“, erwiderte er freundschaftlich.
„Unsinn! Hör mal zu, Jack Travis, es war kein bloßer Zufall, dass du diese Höhle gefunden hast, als wir sie brauchten, oder dass wir das Baby gefunden haben, als es uns brauchte. Und noch eine Frage: Kommt es oft vor, dass du Milch vom Mittagessen übrig behältst?“
„Ziemlich oft sogar“, erwiderte er, während er im Feuer herumstocherte. „Die anderen Arbeiter bringen oft einen Sechserpack Cola vom Laden um die Ecke mit. Und manchmal bietet uns jemand an kalten Tagen etwas Warmes zu trinken an, so wie heute.“
„Also gut, mit der Milch habe ich mich geirrt. Aber es bleiben immer noch die Höhle und das Baby. Vergiss das nicht“, sagte sie.
„Ich glaube, jetzt kannst du endlich einschlafen.“
„Du willst, dass ich den Mund halte, nicht wahr?“, fragte sie und blinzelte ihm schelmenhaft zu.
„Nicht unbedingt“, sagte er und dachte, dass er am liebsten die ganze Nacht ihre helle, klare Stimme gehört hätte. Sie war Musik in seinen Ohren.
„Da bin ich aber froh. Morgen werde ich dir noch sehr viel mehr erzählen, Jack. Du bist ein guter Zuhörer.“
Das war ein Kompliment, das er nie zuvor gehört hatte, oder wenigstens konnte er sich nicht daran erinnern. Er war sich nicht sicher, ob er sich dafür bedanken sollte, deswegen nickte er ihr nur kurz zu. Noch nie hatte er eine Frau wie Mariel getroffen. Irgendwie faszinierte sie ihn auf eine ganz besondere Art und Weise, aber er konnte nicht genau sagen, woran das lag. Eins war jedenfalls sicher, sie besaß sehr viel Charme.
„Du wirst dich in den Sand legen müssen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Wenn du willst, halte ich das Baby für einen Moment“, bot er ihr an.
„Wenigsten haben wir ein Dach über dem Kopf und müssen nicht draußen in der Kälte übernachten“, antwortete sie, während er das Baby auf seinen Arm nahm.
„Und wenn man dann noch bedenkt, dass alles Magie war“, zog er sie auf.
„Freut mich, dass du das endlich auch einsiehst“, konterte sie, und ihre Augen glitzerten vor Vergnügen. Natürlich war ihr völlig klar, dass er immer noch nicht an ihre Theorie glaubte, aber es schien ihr nichts auszumachen. Wahrscheinlich würde sie auch weiterhin versuchen, ihn zu überzeugen, und er freute sich fast darauf. Ihm gefiel es, mit ihr zu diskutieren und dabei ihr ausdrucksvolles Gesicht zu beobachten.
„Ich bin fertig“, verkündete sie, als sie es sich, so gut es ging, auf dem Sand bequem gemacht hatte, und Jack reichte ihr das Kind. Mariel steckte es wieder in ihren Pullover und legte sich mit angezogenen Beinen auf die Seite, sodass dem Baby rundum warm war. Als Kopfkissen diente ihr die Reisetasche.
„Willst du denn gar nicht schlafen?“, fragte sie und sah ihn dabei verwundert an.
„Ich werde noch eine Weile aufbleiben und auf das Feuer aufpassen“, erwiderte er. Er wusste, dass er nicht neben ihr liegen konnte, ohne sie zu berühren.
Das Feuer spie Funken, und er sah, wie Mariel sanft den blonden Kopfflaum des Babys streichelte. Dabei wünschte er sich, dass er es wäre, den sie so zärtlich behandelte.
Mariel schien all das zu verkörpern, was es in seinem Leben nicht gab, alles, wofür
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