BIANCA SPEZIAL Band 03
betrachtete, trat ein wissender Blick in ihre Augen. „Das ist nicht ihr erstes, nicht wahr?“
Er dachte an die anderen, die er in seinen Armen gehalten hatte. „Nein, es ist nicht mein erstes Baby.“
Er war kaum acht Jahre alt gewesen, als er das erste Mal ein Neugeborenes getragen hatte. Bridgette. Die Erfahrung war damals für ihn fast mystisch gewesen. Zum ersten Mal in seinem jungen, von Armut geplagten Leben hatte er gespürt, dass es weit mehr gab als die Enge der Kleinstadt, in der er lebte. Und er hatte von diesem Moment an geahnt, dass er eines Tages fortgehen würde. Aber er hatte auch gewusst, dass er – wohin das Schicksal ihn auch treiben würde – für immer mit diesem Baby in seinen Armen verbunden sein würde.
Das winzige Baby war jetzt dreiundzwanzig Jahre alt. Vierundzwanzig im kommenden Juni.
Seltsam, wie all diese Erinnerungen zu ihm zurückkehrten, während er das Baby dieser Frau, die er kaum kannte, in seinen Armen hielt. Während er ein Kind hielt, das nicht Teil seines Lebens war.
Shawna verzog das Gesicht und öffnete dann ihre großen blauen Augen. Und genau wie beim ersten Mal berührte sie etwas ganz tief in seinem Herzen.
O’Rourke schmiegte das Baby gerührt an seine Brust und sah dann, wie es mit dem kleinen Rosenknospenmund an seinem Papierhemd zu suchen begann.
Sanft rückte er die Kleine von seiner Brust ab. „Mein Liebling, dort wirst du nichts finden, was deinen Hunger stillen wird. Da musst du schon zu deiner Mama gehen.“ Er schaute zu Kitt hinüber.
Die Krankenschwester nahm ihm den Säugling aus dem Arm und reichte ihn Kitt.
„Ich werde immer ganz rührselig, wenn ich einen frischgebackenen Vater mit seinem Baby sehe.“ Die Krankenschwester räusperte sich. „Ich habe meinen eigenen nie gekannt“, gestand sie. „Doch wenn ich das sehe, habe ich noch Hoffnung für diese Welt. Sie sind ein hübsches Paar, und jetzt sind sie eine noch hübschere Familie. Das ist die Kernzelle unserer Kultur, die Familie. Wenn es ihr gut geht, geht es auch der Gesellschaft gut. Es wird Zeit, dass man wieder daran denkt.“
Da jeder O’Rourke für den Vater hält, hat er es wohl aufgegeben, dagegen zu protestieren, dachte Kitt. Auch sie selbst hatte es nicht übers Herz gebracht, den Enthusiasmus der netten Krankenschwester zu dämpfen. Trotzdem würde sie Shawna auf keinen Fall vor O’Rourke stillen.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich …“
Die Krankenschwester schaute sie verständnisvoll an. „Ich verstehe.“ Sie senkte die Stimme. „Es ist ganz normal, dass Sie das Stillen am Anfang ein wenig verlegen macht. Hier, ich zeige Ihnen einen Trick.“ Sie zog eine Windel aus dem Bettchen und legte sie Kitt über die Schulter und die Brust. „So können Sie überall in der Öffentlichkeit Ihr Baby stillen, ohne dass es Ihnen peinlich zu sein braucht.“
O’Rourke beachtete die beiden gar nicht. Er hatte sich von allein zur Seite gedreht, um Kitts Intimsphäre nicht zu verletzen. Er wusste schließlich, was sich gehörte. Gedankenverloren schaute er zum Fenster hinüber und spielte im Kopf immer wieder ab, was die Krankenschwester gerade gesagt hatte. Sie hatte sie als Familie bezeichnet, als Zelle der Gesellschaft.
Vielleicht war es das. Vielleicht war das die Chance, um die er gebetet hatte und die er so verzweifelt erhoffte. Warum nicht?
Eine freudige Erregung pulsierte durch seine Adern, als eine Idee in seinem Kopf langsam Formen annahm. Zugegeben, es war keine neue Idee. Ein Freund von ihm hatte ihm bereits gestern Abend in der Bar diesen Vorschlag gemacht. Doch zu diesem Zeitpunkt war ihm allein der Gedanke daran geradezu lächerlich vorgekommen. Er hatte ihn sofort verworfen.
Aber jetzt war er wieder da und nahm langsam ein Eigenleben an.
Verzweifelte Männer entdeckten immer wieder, dass sie zu verzweifelten Maßnahmen fähig waren, und er war da nicht anders. Bridgette hatte ihn heute Vormittag angerufen und ihm mitgeteilt, dass Brennan einen Studienplatz an der Universität bekommen hatte. Ein weiterer Traum, der Gefahr lief, wie eine Seifenblase zu zerplatzen. Wer studieren wollte, brauchte Geld. Und das Geld musste irgendwoher kommen.
Richtig, von dem großen Bruder, der kurz davor stand, in Kalifornien ein erfolgreicher Geschäftsmann zu werden.
Alles, was er brauchte, war ein bisschen mehr Zeit.
Kaum hatte die Krankenschwester das Zimmer verlassen, wandte er sich Kitt zu und nahm all seinen Mut zusammen.
„Kitt, würdest du mich
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