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Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)

Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Su Turhan
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irritierte den Kommissar. Erst allmählich dämmerte ihm, warum er sich vor ihm zu fürchten schien.
    »Ich bin nicht deinetwegen hier«, sagte er dem Jungen, der spürte, dass Zeki seine Gedanken erraten hatte. »Also, was hast du angestellt?«
    Hamit beendete mit einem Klick das Surren des Langhaarschneiders. Türkischsprachige Radiowerbung aus dem Laptop erfüllte leise den Raum. Zeki überkam das Gefühl, in Istanbul zu sein.
    »Muss ich das sagen, weil du ein Kommissar bist?«, fragte der Junge zurück und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Ein in der Türkei großgezogener Bub hätte es niemals gewagt, ihn zu duzen, dachte Zeki. Die Selbstsicherheit in der piepsigen Stimme ließ ihn zudem vermuten, dass er es faustdick hinter den Ohren hatte. Er machte sich Sorgen, den Bengel in ein paar Jahren zu seinen anderen Taugenichtsen zählen zu müssen. Aus persönlicher Erfahrung wusste er, dass im Leben eines Heranwachsenden Schlüsselerlebnisse wegweisende Bedeutung haben konnten. Er selbst hatte die Polizeilaufbahn eingeschlagen, weil er wie ein Besessener einen Mitschüler, der einer Freundin übel mitgespielt hatte, zu überführen versuchte. Er drohte durch das Abitur zu rasseln, hätte ihn sein Vater nicht vorher vom Gymnasium genommen und auf die Polizeischule geschickt.
    »Du musst mir gar nichts sagen«, antwortete er. »Ich kann mich mit Hamit auch über Fenerbahçe unterhalten.«
    »Ich bin FC -Bayern-Fan«, machte der Junge klar.
    »Das bin ich auch«, freute sich Zeki antworten zu können. Obwohl seine beiden Lieblingsvereine nicht unterschiedlicher sein konnten, hing sein Herz an beiden.
    »Das geht gar nicht! Zwei Vereine!«, spottete der Junge dagegen. Er schien sich von seiner Strafe zusehends zu erholen.
    »Warum nicht?«, gab Zeki zurück. »Besser Anhänger von zwei guten Vereinen als ein …«
    »Sechziger«, unterbrach der junge Fußballfan.
    Hamit und Zeki schmunzelten über die verquere Feststellung, die der Kommissar mit dem Jungen gemeinsam aufgestellt hatte.
    Der Friseur schaltete den Langhaarschneider wieder an und beendete wie ein Maler mit dicken Pinselstrichen seine grobe Arbeit. Als er fertig war, riss der Junge das geblümte Tuch vom Körper und sprang auf. Verunstaltet wie ein Sträfling, lief er Zeki direkt in die Arme, der sich ihm in den Weg gestellt hatte. Er zog seinen Dienstausweis hervor. Nicht grundlos hatte der Bengel mit dem frechen Gesicht die Aussage verweigert. Zeki wollte ihm verdeutlichen, dass es besser war, nicht auf die schiefe Bahn zu geraten. Der Junge beäugte das amtliche Dokument und grinste mit spitzbübischem Lächeln, das Zeki voll und ganz vereinnahmte. Auf der Stelle verlor er die Fassung und ersetzte seinen grimmigen Gesichtsausdruck durch ein hilfloses Lächeln.
    »Du kannst mir gar nichts, Herr Kommissar, weil ich nämlich gar nicht strafmündig bin«, schnauzte ihn der Junge sodann neunmalklug an und huschte flink wie ein Teejunge auf dem Bazar aus dem Geschäft.
    Hamit ließ es sich nicht nehmen, ihm trotz des Ramadans ein paar türkische Flüche hinterherzuschreien, während Zeki kopfschüttelnd sein Konterfei im Spiegel betrachtete. Er sah müde aus. Er gähnte.
    Der Friseur machte eine mitfühlende Geste in den Spiegel. »Ich bin heute auch müde, Zeki. Das liegt am Wetter. Wann haben wir hier den letzten guten Sommer erlebt?«
    Er legte das Tuch unter das Kinn seines Kunden und band es im Nacken zusammen. Hamit hatte in Izmir sein Handwerk gelernt. Er war stolz darauf, sich
kuaför
nennen zu können und kein Friseur im deutschen Sinne zu sein
.
Mit zehn Jahren hatte er bei seinem Onkel angefangen, den Beruf zu erlernen. Er beherrschte weit mehr als das Handwerk des Haarschneidens.
    Zeki verfolgte über das Spiegelbild, wie Hamit seine Haare nass spritzte und zur Schere griff. Der Langhaarschneider kam nicht in Frage.
    »Weißt du, was der Junge angestellt hat?«, fragte Zeki nach einer Weile und schloss die Augen. Das gleichmäßige Klappern der Schere verhielt sich rhythmisch zur türkischen Popmusik aus dem Internetradio.
    Hamit hielt inne. »Musst du das wirklich wissen?«
    In seiner Stimme schwang die Hoffnung mit, dass sein Kunde nicht auf eine Antwort bestand.
    Zeki fixierte den
kuaför.
Seinen Gesichtsausdruck interpretierte er als Respekt vor den Rechten des Jungen, gleichzeitig drückte es Sorge darüber aus, weil er etwas angestellt hatte, was der Kommissar besser nicht erfuhr. Zeki entschied sich, ihn nicht weiter zu bedrängen,

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