BIGHEAD - Ein brutaler, obzöner Thriller (German Edition)
Sachen, die sie niemals laut sagen konnte.
»Irgendwas funktioniert einfach nicht, irgendwas passiert einfach nicht, verstehst du?«, fuhr Charity verlegen fort. »Ich weiß nicht, was es ist.«
Diese Aussage ließ sich auf unterschiedlichste Weise interpretieren. Meinte sie Orgasmen? Meinte sie Chemie? »Weißt du«, begann Jerrica, ohne weiter zu spekulieren, »ich glaube, im Endeffekt läuft alles darauf hinaus, den Richtigen zu finden. Vielleicht ist das unser Problem. Wir haben nur noch nicht den Richtigen gefunden.«
Charitys schmale Schultern hoben und senkten sich.
Ja, vielleicht war es das.
Sie bogen auf die Route 23 ab, der kleine rote Wagen flitzte über die offene Landstraße, während weite Felder an ihnen vorbeizogen. Sie fuhren jetzt zwischen den Allegheny Mountains und den Appalachen entlang. Die Welt hatte sich tatsächlich verändert, der Herrschaftsbereich der Wolkenkratzer und des Smogs war von Waldrändern und Vogelscheuchen abgelöst worden. Für Jerrica war es fremd und doch belebend. Sie konnte es kaum erwarten, ihren Artikel über die ländliche Kultur der Appalachen zu schreiben. Die Reise versetzte sie in Begeisterung, doch eine Sache pochte ständig in ihrem Hinterkopf ...
Wie lange kann ich ohne ...?
Sie wagte es nicht einmal, die Frage zu beenden.
»Es tut so gut, zurück zu sein«, sagte Charity.
»Was?«
»Ich war mir nicht sicher, wie ich mich fühlen würde, aber jetzt, wo wir wieder in diesem hügeligen Land sind, wird mir klar, dass es die richtige Entscheidung war, zurückzukommen. Die Menschen, die hier leben, sind einfache Menschen und auch ihr Leben ist einfach. Aber es ist so viel ehrlicher und wirklicher als da, wo wir herkommen.«
Jerrica dachte darüber nach, als sie eine weitere Kippe aus dem Wagen schnippte. Der Motor schnurrte, das Chassis saugte den Wagen in den engen Kurven auf den Asphalt. Auf beiden Seiten erstreckten sich wunderbar weites Grün und Wälder. Und die Luft roch so sauber, dass Jerrica fast high davon wurde.
Und Charity war die perfekte Beifahrerin. Sie kannte die Gegend und ihre Tante hatte ein Gästehaus – besser ging es nicht. Sie folgte Charitys Richtungsangaben und eine Stunde später passierten sie ein rostiges grünes Ortsschild mit der Aufschrift LUNTVILLE.
Luntville . Jerrica hatte natürlich gewusst, dass das der Ort war, in den sie fuhren; aber erst jetzt ließ der Name etwas bei ihr klingeln. Etwas, das sie gelesen hatte. »He, kann es sein, dass ich vor einiger Zeit mal was in der Zeitung gelesen habe, etwas über ein Ordenshaus oder ein Kloster in der Nähe von Luntville?«
»Eine Abtei, glaube ich«, korrigierte Charity. »Aber ich weiß nichts darüber. Du kannst vielleicht meine Tante fragen.«
Genau, sie hatte es nicht in der Zeitung gelesen, sondern im Redaktionsnetzwerk. Es hatte irgendwelche Kontroversen gegeben, wenn Jerrica sich richtig erinnerte. Irgendetwas über ein Hospiz und sterbende Priester. Hmmm . Aber bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, erklärte Charity mit ausgestrecktem Finger: »Bieg hier ab!«
Jerrica bog ab. Sie stöhnte innerlich. Sie waren jetzt seit zehn Stunden unterwegs; würden sie jemals ankommen?
»Wir sind da!«, sagte Charity, ihr rundes Gesicht strahlte vor Fröhlichkeit.
Jerrica verlangsamte, als sie an dem Holzschild vorbeikamen, dann bog sie ab und fuhr einen langen Schotterweg hinauf. An seinem Ende öffnete sich eine Lichtung. Und in der Mitte der Lichtung stand ein wunderschöner hölzerner Landgasthof mit einer langen umlaufenden Veranda, Zedernschindeln und großen Erkerfenstern, all dies inmitten eines üppig bewaldeten Tales. Ein Holzschild verkündete: ANNIES GÄSTEHAUS. 20 DOLLAR PRO NACHT. ZIMMER FREI.
»Das ist es?«, fragte Jerrica. Ihr helles blondes Haar kam endlich zur Ruhe und hing in der sanften Brise locker herab.
»Das«, sagte Charity, »ist es.«
DREI
(I)
»Tante Annie!«, rief Charity. Sie breitete die Arme aus. Die Frau, die auf die Veranda getreten war, sah aus wie etwa 60. Sie hatte schneeweißes Haar und war trotz ihres Alters attraktiv; ein warmes Lächeln lag auf ihrem leicht verwitterten Gesicht. Sie trug ein abgenutztes weißes Sommerkleid und schwarze Arbeitsstiefel. Kühle blaue Augen schienen sich auf die Besucher zu heften, als sie aus dem Wagen stiegen.
Die alte Frau stand auf der Veranda und brach in Tränen aus.
Charity war plötzlich in einem Zeitloch. Die Welt blieb stehen. Alles, was sie sah, schien eingefroren zu sein, und
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