Biker's Barbecue (German Edition)
durch schattige Obstgärten und Walnussplantagen. Es ist inzwischen später Nachmittag, und die tief stehende Sonne lächelt uns durch die Baumlücken freundlich an. Sonnig ist auch das Gemüt der Leute, die uns im Vorbeifahren zuwinken.
Verdammt! 10 Meilen vor Chico fängt sich mein Hinterrad an der einzigen baumlosen Stelle der Straße ein Loch ein. (Merke: Es erhöht das Vergnügen des Reifenflickens beträchtlich, wenn man dabei mitten in der prallen Abendsonne sitzen darf.) Danach ist das Hinterrad völlig verzogen und eiert so sehr, dass es mich bei jeder Umdrehung förmlich aus dem Sattel hebt.
Wir fahren deswegen konsequent langsam. Tobi scheppert und quietscht wie nie zuvor. Ich wusste ja schon immer, dass bei dem Kerl eine Schraube locker ist!
Wie durch ein Wunder schaffen wir es ohne Totalschaden bis in die Collegestadt Chico. Unsere Herbergssuche führt uns zunächst bei wachsender Sorge durch endlose Außenbezirke. Trotz schlechter Vorzeichen (Städte mit 50.000 Einwohnern sind einfach nichts für Mitleid heischende, Schlafplatz schnorrende Radfahrer) ist uns das Schicksal wieder einmal hold.
Nicht nur, dass wir einen Baptistenpfarrer finden, der uns gleich das gesamte Jugend-Versammlungshaus seiner Gemeinde zum Nächtigen überlässt, der Mann schafft es auch tatsächlich, mit Hammer und Schraubenzieher die Spezialschraube an meinem Hinterrad zu öffnen. (Wahrscheinlich hat er sie heimlich aufgebetet!) Gemeinsam wechseln wir in seinem Werkzeugschuppen die kaputte Speiche aus und bringen die verzogene Felge wieder ins Lot.
Nach geglückter Operation wird Chico unsicher gemacht: Eis fressen, Coke trinken, Telefonieren (Mütterchen hat heute – wenn man die Zeitverschiebung mit berücksichtigt – Geburtstag), flippern, Video spielen – kurz: Nach Einbruch der Dunkelheit stillen wir unseren durch spartanische Genügsamkeit gesteigerten Zivilisationsdurst immer exzessiver durch die fast schon sündhafte Befriedigung primitivster Grundbedürfnisse.
Höhepunkt: eine Schlacht unter Brüdern an einem Do-it-yourself-Hotdog-Stand (1 Dollar das Stück). Stefan hat nachher sein ganzes Hosenbein voll grüner Zwiebelsauce, und ich sehe aus, als hätte ich mich mit leuchtend gelbem Senf bepinkelt. – Ein klassisches Unentschieden.
4.
Shit! Ruf der Wildnis
Noch bevor wir uns ausreichend von unserer Schlafstätte distanzieren können, fängt uns Chicos Elitetruppe baptistischer Redefanatiker ab. Ohne dass einer von den dreien (zwei Frauen und ein Mann) erkennbar Luft holt, umzingeln sie uns mit großkalibrigen Wortschwallen und halten uns damit so lange in Schach, bis wir einem von ihnen listig eine Kamera in die Hand drücken, um ein Erinnerungsfoto zu schießen. Dem verschlägt’s daraufhin für fast drei Minuten die Sprache (bis er den Auslöser gefunden hat), was wir wiederum nützen können, um unsere Flucht vorzubereiten.
Nach einem französischen Frühstück in einem Dinner-Bistro (Croissants, Flan und nette Mädchen) fahren wir auf Route 45 an Dayton vorbei nach Süden. – 19 Meilen später legen wir vor einem Supermarkt eine kleine Getränkepause ein.
Während Tobi stundenlang mit einem Freund in New York telefoniert, unterhalte ich mich mit ein paar Einheimischen und reiße dabei – nur so zur Übung – eine Übernachtungsmöglichkeit auf. Weil’s aber dann doch noch ein bisschen früh ist, fahren wir schließlich weiter.
Immerhin: Durch den Anruf haben wir jetzt eine Adresse in der Nähe von Santa Rosa, wo wir, wenn wir wollen, morgen oder übermorgen übernachten können.
Wenig später bekommt Tobi plötzlich einen Durchfall-Anfall. Ob er wohl irgendwas Falsches gegessen oder getrunken hat? Und ob er das nicht hätte erledigen können, als wir noch vor dem Supermarkt standen? – Auf jeden Fall muss er mitten in der allergrößten Walnussplantage – weit und breit kein Haus – ganz dringend aufs Klo.
Eilig verlassen unsere beiden Helden den Highway, fahren ein kleines Stück einen Feldweg entlang und stellen die Räder an einem Walnussbaum ab …
Als wir wieder auf dem Feldweg sind, sehen wir, dass unsere Reifen gespickt sind mit reißzweckenähnlichen Distelsamen (Mutter Natur hat sich hier offenbar gegen scheißende Radfahrer etwas einfallen lassen!): Überall stecken fünf bis sechs Millimeter lange Stacheln. Bange Minuten, während wir unsere Räder wie Bräute auf den Armen zur Straße tragen und vorsichtig alles, was nicht hineingehört, rausziehen. („Sie liebt mich –
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