Bilder von A.

mit einem Messer, um sie zu töten. Dann bin ich im Traum einmal mit meiner Freundin im Theater, sie spielen den Prinz von Homburg , aber den will ich auf keinen Fall sehen, bloß das nicht! Der Regieassistent erkennt mich und ruft, ich solle dableiben, aber ich laufe quer über die Bühne weg, dabei sehe ich beim Inspizienten das Textbuch liegen mit den angestrichenen Stellen, an denen der Vorhang auf- und zugehen muß, und dann sehe ich auch A., wie er auf der Hinterbühne mit dem Beleuchter spricht und mir dabei direkt ins Gesicht sieht, ohne eine Miene zu verziehen, ich gestikuliere, um meine Anwesenheit zu bekunden, er reagiert aber nicht. Ich laufe traurig nach Hause.
    Wieder ein andermal haben wir uns auf der Dimitroff-Straße verabredet, es regnet, ich warte auf ihn, er kommt mit seinem Fahrrad, ganz durchnäßt, ich laufe ihm entgegen und gebe ihm einen Kuß, merke aber gleich, daß er mürrisch ist, er erwidert den Kuß nicht, dann redet er auf mich ein, aber ich höre ihn nicht, meine Kräfte verlassen mich, ich falle in Ohnmacht. A. erweckt mich wieder aus meiner Ohnmacht, und dann suchen wir in der ganzen Stadt das Berliner Theater und finden es nicht, dann suchen wir noch seine Wohnung und dann meine, die können wir auch nicht finden, die Menschen, die an uns vorbeilaufen, können uns auch nicht helfen, und wir wissen nun überhaupt nicht mehr, wohin und wo entlang. Alles bleibt ungeklärt, aber dafür ist A. nicht mehr mürrisch,und wir sprechen über vieles. Wir haben jetzt auch viel Zeit.
    Nach dem Aufwachen fällt es mir erst nach ein paar Momenten wieder ein:
    A. ist jetzt tot.

 
    Über die Autorin
     
    Barbara Honigmann wurde 1949 in Ost-Berlin geboren, wohin ihre Eltern aus dem Exil zurückgekehrt waren, und lebt heute in Straßburg. Sie arbeitete als Dramaturgin und Regisseurin, seit 1975 als freie Schriftstellerin. Ihr Werk wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Kleist-Preis (2000). Bei Hanser erschienen Damals, dann und danach (1999), Alles, alles Liebe! (Roman, 2000), Ein Kapitel aus meinem Leben (2004), Das Gesicht wiederfinden (2007) und Das überirdische Licht. Rückkehr nach New York (2008).
     
    Daten, Fakten, Jahreszahlen
     
    1949 in Ost-Berlin geboren, nach der Rückkehr der Eltern aus der englischen Emigration. Nach dem Studium der Theaterwissenschaft Dramaturgin und Regisseurin.
    seit 1976 freischaffende Schriftstellerin und Malerin
    1984 Ausreise aus der DDR und Übersiedelung nach Straßburg, wo sie mit ihrem Mann und zwei Kindern lebt.
     
    Auszeichnungen
     
    •    2011 Max-Frisch-Preis
    •    2005 Spycher-Literaturpreis
    •    2004 Koret Jewish Book Award
    •    2004 Solothurner Literaturpreis
    •    2001 Jeanette-Schocken-Preis
    •    2000 Heinrich-von-Kleist-Preis
    •    1996 Ehrengabe der Schillerstiftung
    •    1994 Nicolas Born-Preis
    •    1992 Stefan-Andres-Preis
    •    1986 Aspekte Literaturpreis
    •    1986 Preis der Autorenstiftung
     
    Lieferbare eBooks von Barbara Honigmann
     
    Das überirdische Licht
    978-3-3446-23349-2