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Bilder von A.

Titel: Bilder von A. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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unlösbare Bindung, war es Liebe oder war es Theater?
    Die Verklärungssucht, der Hingebungswahn, die Exerzitien der Versagenslust, das Warten, das Horchen, das Hoffen, die Angst, die Ungewißheit, die Hoffnungslosigkeit, die Verlassenheit, die Trostlosigkeit, das Trotzen, das Schweigen, das Festhalten, Zerren, Klammern, Bitten, das Verweigern und Wegschicken, das Abwenden, das Halten und Festhalten, die Leibeigenschaft, die Vorwürfe, der Anspruch und die Beanspruchung, das Unverstandensein und das Unverständnis, die Klagen und Anklagen, warum kannst du mich nicht verstehen, das ganze Gerede und Getue, Liebe müsse immer unglücklich und schmerzlich sein und immer weh tun, müsse an Körper und Seele Wunden reißen, stärker, größer, schöner, leidenschaftlicher, dunkler sein, die Liebenden müßten getrennt sein, denn die Abwesenheit ist ja –wie Proust meint – die allerlebendigste, die unzerstörbarste und die treueste aller Gegenwarten , ja, die Liebenden sollten das Liebste, Schönste und Wertvollste, was sie besitzen, auf dem Altar der Liebe opfern, so wie Heiden ihre Totems oder Tabus.
    Wir waren doch keine Heiden.
    Unsere ungeregelte, unauflösliche und ungelöste Bindung, war es nur eine Novalis-Else-Lasker-Schüler-Proust-Kleist-Mönch-am-Meer-Inszenierung?
    Aber der Text zu diesem Spiel, war er nicht mit »der Tinte des Herzens« geschrieben?
    Die Lebenden wissen nur, daß sie sterben müssen, und die Toten wissen gar nichts mehr .
     
    Eine Erinnerung aus der Zeit am Berliner Theater geht mir nicht aus dem Kopf. Während einer der ersten Prinz von Homburg -Aufführungen verletzte sich die Natalie-Darstellerin, wurde ganz bleich, blutete, verharrte aber in ihrer Pose, und der Prinz von Homburg-Darsteller, ebenfalls in seiner Pose verharrend, flüsterte eindringlich, ja schrie mit gedeckter Stimme, Vorhang! Vorhang!, bis der Inspizient den rotsamtenen Vorhang über die verwundete Natalie und den hilflosen Prinzen von Homburg zurauschen ließ. Natürlich klatschte dann niemand. Kein Applaus.
    A. mußte zu einer kurzen Ansage vor den Vorhang treten. Wegen des Unfalls muß die Vorstellung leider abgebrochen werden. Vielen Dank für ihr Verständnis.
    Das Publikum erhob sich betreten, die Leute gingen hinaus, holten sich ihre Mäntel an der Garderobe und verließen das Theater. Die Natalie-Darstellerin wurde ins nächstgelegene Krankenhaus gefahren, während sich die Kollegen in der Kantine den Schock wegtranken. Danach brachte mich A. mit dem Fahrrad nach Hause, ich saß vorn auf der Fahrradstange, wie immer. Kein Volkspolizist hielt uns an.
     
    Als ich A.s letzten Brief mit dem »Warum reitest Du immer auf den jüdischen Dingen herum« erhielt, habe ich ihn Yoav gezeigt und ihn gefragt, was ich denn darauf antworten solle, aber natürlich gab er mir keinen Rat, denn da wollte er sich nicht einmischen, das war ja mein Problem.
    Er sagte nur, mein Gott, eure Geschichte ist ja schlimmer als die ganze deutsch-jüdische Symbiose, und lachte, was ich sehr unpassend fand.
    Und warum er auch noch A. heißen mußte! Wie konntest du denn diesen Namen je aussprechen.
     
    In meinen Träumen lebt A. noch immer. Wir sprechen, wir lachen, wir streiten, wir lieben uns, er begleitet mich, er besucht mich, er geht fort. A. fährt mit dem Fahrrad durch Berlin und Moskau und Städte, die ich nicht erkennen kann, er springt auf die Bühne in Frankfurt, spielt Orgel in Wien, er ist zärtlich zu mir oder mißachtend und abgewandt, im Osten oder im Westen, in Paris, Zürich oder in der Arthur-Becker-Straße. Wir gehen inmitten vieler Leute und reden, oder wir spazieren ganz allein im Friedrichshain und schweigen, wir sitzen mit Kleist in der Wohnung, in der ich ein Kind war, oder mit Caspar David Friedrich im Café Moskwa . Manchmal ist auch mein Vater dabei oder meine Mutter oder Kollegen vom Berliner Theater oder Nachbarn aus Berlin oder Freundinnen oder ganz unbekannte Menschen, manchmal treten auch seine Frauen und Kinder auf und manchmal sogar Yoav und sogar seine Eltern.
    Einmal wasche ich Wäsche in der Badewanne in der Wohnung meiner Mutter, und ich weiß, daß A. in einem Zimmer der Wohnung ist, ich möchte zu ihm, aber ich muß die Wäsche waschen, und dann sagt mir Yoav, und nicht meine Mutter, daß A. schon wieder gegangen ist, ehe ich ihn noch hatte begrüßen können.
    Ein andermal sitzt A. mit einer Katze auf dem Schoß und erklärt mir, wie man ihr das Fell abzieht und an welcher Stelle man einstechen muß,

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