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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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habe, woher das von ihm angehörte nächtliche Unwesen hatte kommen können. Einen Soldaten, der auf seinem Posten dort einmal nächtlich gepackt und über die Balustrade gegen die Gruft hinabgeworfen wurde, sprach ich selbst einmal über diesen Vorfall. In diesen gespenstisch gewesenen Teil des Schlosses wurden in späterer Zeit die Geschäftszimmer aufgeklärter Regierungsherren verlegt, wo wohl bald sieghaft deren Geist diesen abergläubischen Spuk zum Wohle der Aufklärung vertrieb.
    In Ludwigsburg war um diese Zeit kein Stadt- und kein Landleben mehr; ja, es hatte durch das, was noch vom Hofe und Militär übrig geblieben, noch mehr Drückendes, besonders für den Beamten. Der Aufwand für einen solchen war auch in Ludwigsburg größer als in einer Landstadt, obgleich das Einkommen der Oberamtei Ludwigsburg sehr klein war. Mein Vater, überdies ein großer Freund der Natur, wünschte sehr eine Stelle zu erhalten, die, wenn sie ihn auch mit größeren Arbeiten belastete, ihm doch eine freiere Bewegung, als die Stelle in einer Residenz, gab.
    Als nun die wohldotierte Oberamtei Maulbronn im Jahr 1795 frei wurde, meldete er sich um dieselbe und erhielt sie auch, trotz des Widerstrebens der Bürger der Stadt und des Amtes von Ludwigsburg, die ihn aufs herzlichste liebten und ehrten, und ihn um keinen Preis von sich scheiden lassen wollten. Während seiner Amtsführung hatte er in Stadt und Land das Gemeindewesen in die beste Ordnung gebracht, und viele Einrichtungen, die er traf, sind noch jetzt ein Muster für andere.
     
Abschied von Ludwigsburg und Zug nach Maulbronn im Jahre 1795
     
    Es wurde nun von Ludwigsburg Abschied genommen. Wie jedem Knaben Veränderung und Lärmen im Haus Freude macht, so war es auch bei mir. Es wurden von meinen Eltern in einem Stadtwagen, in welchen auch ich einsteigen durfte, von Haus zu Haus Abschiedsbesuche gemacht. Als es aber an das wirkliche Abziehen ging, brach mir trotz der Freuden, die ich mir im künftigen Aufenthalte vorspiegelte, doch das Herz. Als ich von meinen Kameraden Abschied nahm, zerfloß ich in Tränen; auch konnte ich sie lange nicht vergessen, ja eigentlich nie; während ich doch bald Beweise hatte, daß sie sich um mich weiter gar nicht bekümmerten, und mich bald ganz vergaßen. Dies war meine erste trübe Erfahrung auf dem Felde der Freundschaft, die ich in meinem späteren Leben leider sehr oft wieder machen mußte.
    Der Zug ging nun in mehreren Wagen dem neuen Bestimmungsorte zu; ich erinnere mich von demselben nichts Bestimmtes mehr, als daß in dem ersten Orte des Oberamtsbezirkes Maulbronn,
Lienzingen,
ein ehrwürdiger freundlicher Pfarrer, Namens
Siegel,
meinen Vater mit dem Magistrate des Orts und vielen Bürgern empfing und ihm auf grünes Papier geschriebene Verse übergab, während ihm die Kinder des Pfarrers Blumen streuten. Es waren wohlgemeinte Worte, Verse nach dem damaligen Stile, die ich noch besitze und deren Anfang ich hierher setze:
     
    Mann! des Geist einst Karl der Weise schätzte,
    Dessen Herz den milden Louis ergötzte,
    Und dem Beifall winkt vom Fürstenthron
    Vater Friedrich und sein großer Sohn.
    Mann! begleitet von der Hauptstadt Tränen,
    Wie ein Vater von verwaisten Söhnen,
    Weil' mit Vaterblick auf meinen Kindern,
    Laß sie Dich an Deiner Eile hindern,
    Wenn sie, unsre Wege Dir zu weihn,
    Zwar nicht Nelken, doch Kornblumen streun. usw.
Mein Leben zu Maulbronn. Seine Lehrer, seine Kreuzgänge und Klosterkirche
     
    Zwischen Ludwigsburg und Maulbronn war nun eine große Verschiedenheit; dort die langen, weiten, lichten Straßen, die künstlichen Alleen, Schloßgebäude und Soldaten, alles in neuem Stile, kaum etwas über 60 Jahre alt. Nun ein Kloster aus dem 12. Jahrhundert, rings umgeben mit hohen Mauern, einem Zwinger, über den eine Zugbrücke in dunkle Torgewölbe führte, in den Räumen innerhalb der Mauer selbst gar keine Wohnung, als die der Beamten und das Prälaturgebäude, an welches das Kloster selbst, das nun die Wohnung junger theologischer Zöglinge war, grenzte. Statt der Ludwigsburger weiß und gelb angestrichenen, wie von einem Schreiner gemachten Kirchen und Türme, – erblickte man hier vom Alter schwarzgraue Kreuzgänge und eine Kirche, die in ihrem Innern, besonders für die Phantasie eines Knaben, große Rätsel darbot.
    Merkwürdig war bei jedesmaligem Geläute der Turm, der auf dieser in Form eines Kreuzes gebauten Kirche sich schlank und leicht aus dem Dache erhob und durch die Erschütterung der Glocken

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