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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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versetzte er; aber am Tore angekommen, gab er dem Pferde die Sporen und ritt mit ihr durch die ganze Stadt bis an die Oberamtei. Dies konnte dazumal, ohne Spektakel zu erregen, ein Oberamtmann tun; man denke sich aber einen Auftritt der Art in jetziger Zeit.
    Auch bei der Unterhaltung meines Vaters mit jüngern Frauen kam in das gute ihm ganz ergebene Herz meiner Mutter nie das Gefühl der Eifersucht; sie erschwerte ihm keinen Besuch, keine Einladung. Oft wurden im Hause kleine Feste gegeben, die schon seine amtliche Stellung, sein vieler Umgang mit Militär und Adel, erforderten. Das Tarokspiel liebte er, und es fanden sich dazu kleine Spieltische im Hause; auch ein Billard war vorhanden, welches Spiel mein Vater meisterhaft verstand, und fast täglich nach dem Mittagessen mit dem Hauptmann
Seyffertiz,
dem Oberforstmeister
Stettink,
oder dem Franzosen
Martel
übte. Meine Mutter, die immer in Zittern und Furcht lebte, hatte einmal große Sorge, als mein Vater eine Reise auf 14 Tage nach
Erlangen
machen mußte. »Gott«, sagte sie, »da kannst Du umkommen, und ich erhalt keine Nachricht von Dir!« – »O«, versetzte er, »heilig versprech ich Dir, alle Tage sollst Du pünktlich einen Brief von mir erhalten.« Vor seiner Abreise setzte er sich noch eine Stunde hin und schrieb 14 Briefe voll der erfreulichsten Nachrichten von ihm, diese übergab er dem Postmeister, der alle Tage einen an die erfreute Mutter sandte. Mit großem Vergnügen wies sie der Frau Bürgermeisterin und anderen Frauen die Briefe des Getreuen. Als er nach 14 Tagen wiederkam, und sie sogleich ihre Freude über die vielen Briefe äußerte, sagte er: »Weil ich nun glücklich wieder da bin, so muß ich Dir gestehen, daß ich die Briefe alle vorher geschrieben; aber ich denke, sie hat mir mein guter Genius alle vorher diktiert, der wohl wußte, wie es mit mir gehen würde, und mein Versprechen, daß Du bestimmt jeden Tag einen Brief bekommen werdest, habe ich ja getreulich gelöst.« Diese Täuschung machte die gute Mutter nicht böse; sie war nur erfreut ihren Geliebten wieder glücklich bei sich zu sehen.
     
Die Öde Ludwigsburgs nach dem Tode Herzog Ludwigs
     
    Schon nach dem Tode Herzog
Karls
und noch mehr nach dem Herzog
Ludwigs,
wurde Ludwigsburg durch Abzug des Hofes und eines Teils vom Militär sehr verödet, – Bevölkerung und Gewerbe waren ohnedies klein, und desto auffallender die Menschenleere in den langen, weitgebauten Straßen. Ich erinnere mich noch mancher Sonntage, wo nachmittags der große Marktplatz vor unserm Hause so still war, daß man auf demselben fast die Perpendikel der benachbarten Turmuhr gehen hörte. In den Arkaden waren oft die einzige Bevölkerung die Hühner des Italieners
Menoni,
und nur das Krähen derselben unterbrach die Stille, die oft rings herum herrschte. Eine auf die Hauptwache ziehende Schildwache, ein in der Ferne durch die Straßen eilender Perückenmacher waren oft Stunden lang die einzigen Figuren, die man von den Fenstern der Oberamtei in dem großen Raume erblickte, außer der stehenden steinernen Figur des Herzogs
Eberhard Ludwig,
des Erbauers dieser Stadt, die mitten auf dem Markte auf dem Brunnen stand. Es war in Wahrheit so, wie ich in meinen Reiseschatten anführte, wo die Stadt
Ludwigsburg
unter dem Namen
Grasburg
vorkommt, weil aus dem unbetretenen Pflaster mancher Straßen und Plätze hohes Gras wuchs.
    Besondere Gefühle von Verlassenheit und Trauer wandelten einen in den vielen langen und menschenleeren Alleen der Stadt an. So hatten auch die großen verlassenen Räume des Schlosses und namentlich die Gegend des Corps de Logis etwas Unheimliches, Gespensterhaftes. Im Corps de Logis war das Gemach, in welchem Herzog
Karl Alexander
starb, von dessen Tode allerlei unheimliche Sagen gingen. Hier war es auch, wo in späteren Jahren die Schildwachen in der Nachtzeit mehrmals wie von einer unsichtbaren gewaltigen Hand gepackt und über die Balustrade am Schlosse geworfen wurden. Auch waren mehrmals diese Wachen genötigt die Posten zu verlassen, um auf der Schloßwache Anzeige zu machen von Lärmen und Tönen, als gingen Menschen die Treppen und Gänge auf und ab, wobei sie Schlüssel rasseln und Türen auf und zu gehen hörten. Es wurden mir diese Vorfälle von einem damals wachhabenden Offiziere, der im Augenblick in Begleitung seiner ganzen Mannschaft Untersuchung darüber anstellte, selbst erzählt und versichert, daß er weder einen Betrug gefunden, noch eine natürliche Ursache erforscht

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