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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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einen weiten und langen Platz oder Gang, auf dessen beiden Seiten viele kleinere und größere Zimmer sich befanden.
    Sommers hatte jeder ein kleines Stübchen, eine Zelle für sich allein, winters waren mehrere auf einem größern Zimmer zusammen. Die Zimmer und Zellen standen auf den Kreuzgängen, und sahen teils in das Kreuzgärtchen, teils in den Garten der Prälatur und den Platz vor der Oberamtei. Inmitten des Dormentes hing das Seil eines Glöckchens nieder, das die Klosterzöglinge zu ihren Lektionen und in ihren Speisesaal rief, der im untern Stocke eines eigenen an das Kloster stoßenden Neubaues war. Er schaute auf jenen Platz vor der Kirche, auf dem ein Rohrbrunnen quoll, und alte Linden ihre Schatten warfen.
    Über diesem Speisesaale war die Wohnung des Professors
Maier
und das Dachstübchen meines Gottfrieds.
    Die Klosterzöglinge waren den Tag über in ihr Dorment eingeschlossen, und durften es nur verlassen, gingen sie in den Speisesaal oder abends auf Spaziergänge.
    Zum Ärger des Professors und des noch strengeren Prälaten, schlich ich mich aber oft auch außer der erlaubten Zeit aufs Dorment und in die Zellen der kleinen evangelischen Mönche (sie waren damals, wie schon bemerkt, mit schwarzen Kutten bekleidet, jedoch ohne Kapuzen, mit etwas neuerem Zuschnitte) und störte sie in ihren Studien durch meine Spiele und Wünsche.
    Obgleich sie sieben Jahre älter, als ich waren, hing ich doch an manchem mit großer Liebe und zog auch manche zu meiner kindischen Phantasie hin, so daß sie oft auf dem weiten Dormente Spiele mit mir spielten, die sonst nur meinem Alter gewöhnlich waren.
    Kam aber von der Prälatur her durch den langen Gang der Herr Prälat
Mieg,
ein sehr gestrenger Herr, mit goldener Tabaksdose in der Hand geschritten, so stoben wir mitten in unsern Spielen auseinander, und ich verbarg mich in irgend einem Winkel des Dormentes, bis diese schwarze Wolke vorüber war.
Maier,
im Schlafrocke und der Zipfelkappe, wurde weniger gefürchtet.
    Zu Streichen, die den Professoren, dem Famulus usw. galten, half ich ihnen auch oft mit.
    Wenn zu einer Lektion geläutet werden sollte, und der Famulus nicht gleich erschien, so kam oftmals Professor
Maier
selbst aus seiner Klause und zog den Strang des Dormentglöckchens. Da gingen sie mich einmal an, weil ich mit Knaben des Famulus öfters unter das Dach des Dormentes geriet, ich solle das Seil des Glöckchens so weit hinaufziehen, daß es der kurze Professor nicht mehr erlangen könne. Als die Stunde zum Läuten kam, paßten wir Anstifter in einem Winkel auf. Der kurze Professor erschien, wußte sich aber wohl zu helfen; er nahm einen Stuhl, stieg auf solchen, und erreichte glücklich das Seil zum Läuten. Wir im Verstecke verrieten uns fast durch Lachen ob der komischen Figur, die der Professor machte, als er in seinem Schlafrocke mit der Zipfelkappe und einem Hängebauche auf dem Stuhle stand und den Strang des Klosterglöckleins mit saurer Miene zog.
    Meinen Eifer, die Natur zu erforschen, unterstützte mancher dieser Freunde von gesetzterem Alter. Ich lernte welche kennen, die sich mit Botanik, mit Physik beschäftigten, ich schloß mich an solche mit großer Liebe an, und sie eröffneten meinem Forschungsgeiste neue Felder.
    Ein lieber Mensch, er hieß Amandus
Günzler,
(starb später als Dekan zu Leonberg) legte sich in der Physik besonders auf die Erscheinungen der Elektrizität.

    Er hatte sich sinnreiche, elektrische Apparate selbst geschaffen. Diese Arbeiten verrichtete er meistens unter meinen Augen. Er erklärte mir spielend das Wesen der Elektrizität, ihr Entstehen, ihre Wirkungen.
    Ich freute mich seiner Maschinen, des Blitzes, den er in ein Häuschen schlagen ließ, der Glöckchen, die er durch Elektrizität in Bewegung setzte, der durch diese Materie in tanzender Bewegung gehaltenen Figürchen von Pappe.
    Oft war ich auch der Begleiter dieser Freunde auf ihren Spaziergängen um die Seen und in die Wälder.
    In einem herrlichen Buchenwalde, eine halbe Stunde vom Kloster, hatten diese jungen Leute Anlagen, Rasenbänke und natürliche Lauben geschaffen. Man nannte den Ort das Kapuzinerbrünnlein, von einem Brünnlein, das dort aus Felsen entsprang und einen kleinen See bildete, der rings von hohem Schilf und überhängenden Buchen beschattet war. An dessen Strande nisteten häufig wilde Enten, und ich erblickte da einmal einen Vogel, den ich bisher noch nicht gesehen hatte, eine Rohrdommel, die mir aus dem Alten Testamente bekannt und

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