Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit
Zwiegespräch durch die Fenster im Geplätscher des untenstehenden Brunnens. Wenn aber die Prälatin auch manchmal einsam und nur von mir bemerkt im Mondenschein aus den alten Mauern heraussah, und zugleich die Ratten aus dem Keller der Oberamtei ihre Prozession über den Platz nach dem Brunnen angetreten hatten, so kam das mir wie ein Märchen vor.
Die Prälaturgänge und die Klosterkutsche mit dem Prälaten Weiland
Unheimlicher, als in den Kreuzgängen, war es mir in den Gängen der Prälatur, und ich wollte nächtlich nur ungern Bestellungen dahin bringen; denn, wenn ich mir in den Kreuzgängen die Erscheinung eines Abtes oder Mönches gewünscht hätte, so wäre mir die Erscheinung eines Herrn Prälaten und einer Frau Prälatin der neuen Zeit in den Gängen der Prälatur doch sehr unheimlich gewesen.
Matthias,
unser Kutscher, ließ es sich auch nicht nehmen, es gehe in diesen Gängen der verstorbene Prälat
Weiland,
und er sei ihm einmal bei einer nächtlichen Sendung in die Prälatur begegnet, wie er in einem weißen Fracke mit schwarzen Bärtchen an ihm die Treppe herabgestiegen sei und sich dann unten in die Prälaturkutsche gesetzt habe. Diese alte Prälaturkutsche, die unten in einem Seitengewölbe verwahrt wurde, war für uns Kinder sehr merkwürdig. Sie erbte sich von Prälat auf Prälat, hatte die Größe eines kleinen Gartenhauses, und ich meinte, es könnte wohl schon Abt
Entenfuß
mit
Dr. Faust
in ihr gefahren sein. Sie wurde nur ein paarmal des Jahres herausgezogen, wenn der Prälat auf den Landtag nach Stuttgart fuhr, oder dem katholischen Prälaten zu Bruchsal einen Besuch abstattete, wozu er jedes Jahr einmal das Recht hatte. Die übrige Zeit war sie der Aufenthalt von Fledermäusen und Katzen, besonders einer alten schwarzen Katze ohne Schwanz, die ich oft aus ihr schleichen sah.
Ging eine solche Fahrt an, so wurde dies Gartenhaus mit vier Pferden bespannt, die dazu vom Klostermüller geliefert werden mußten.
Diesen voran ritt ein Vorreiter, für den auch von langen Jahren her eine Livrée in Bereitschaft war, in die er sich stecken mußte, war er klein oder groß, dürr oder dick, was den Zuschauern oft einen possierlichen Anblick verschaffte.
Jener Prälat
Weiland,
den
Matthias
gesehen haben wollte, wie er sich als Gespenst in die Prälatenkutsche setzte, hatte sich zu seinem jährlichen Besuche des Prälaten von Bruchsal eine eigene Kleidung machen lassen, und zwar, wie sie
Matthias
am Gespenste gesehen haben wollte, einen weißen Frack mit schwarzen Borten (wohl auf die ehemalige Tracht der Zisterzienser deutend).
Als das Kleid fertig war, befiel ihn eine Krankheit, und er konnte in demselben nicht mehr die Prälatenkutsche besteigen. Er ließ sich nun das Kleid an sein Bett aufhängen, so daß er es immer im Auge haben konnte, und mit innigem Lächeln hielt er seine Augen, auch als sie schon im Tode brachen, noch fest auf das Kleid gerichtet, bis er verschied. Sein Gehen nach dem Tode in jenem Kleide nach der Prälaturkutsche fände in dieser letzten Szene seines Lebens eine Erklärung.
Der alte Geisterspuk in der Prälatur
In diesen Gängen der Prälatur, unter ihrem Dache, in ihren Zimmern und auf den Treppen, besonders der Wendeltreppe, die ins Dorment führte, herrschte im Jahre 1659 bis 60 ein so gewaltiges Spuken, daß jenes Prälaten W. einfacher Geistergang nach der Prälaturkutsche dagegen eine Kleinigkeit war.
Alles, was unter dem Dache und in den Zimmern nur beweglich war, wurde, wie von unsichtbaren Händen erhoben und spazierte zum Teil durch die Fenster hinaus in den Prälaturgarten oder in den Hof hinab.
Dabei sah man es im Garten oder dem Hofraume nicht niederfallen, sondern die Gegenstände schwebten langsam zur Erde, als würden sie vermittelst eines Seiles oder sie noch immer haltender Hände niedergelassen. Oft entstand in den verschlossenen Zimmern ein entsetzliches Gerumpel, als würde ein Arm voll Holz an die Türe geworfen; eröffnete man aber das Zimmer, so bemerkte man nichts in ihm als eine schwarze Katze, die sich aber immer während der Verfolgung verlor.
Oft lief es nächtlich die Schneckentreppe hinauf, nicht anders, als ginge jemand in großen weiten Pantoffeln. Als man meinte, es werde nun oben erscheinen, hörte und erblickte man nichts mehr, dagegen warf es nun unten im Gange die Feuereimer, die dort hingen, teils unter einander, teils stellte es sie aufrecht in eine Reihe hin.
Der Prälat, er hieß
Schlotterbek,
verließ die
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