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Billard Um Halb Zehn: Roman

Billard Um Halb Zehn: Roman

Titel: Billard Um Halb Zehn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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kann nicht viel länger als dreizehn sein; ich werde Robert bitten, es mir genau auszurechnen; jedenfalls liegt es innerhalb der Grenzen der höchsten Treffsicherheit; Schußfeld hat es mir erklärt, er muß es wissen, unser weißhaariger Ministrant; morgen früh wird er seinen Dienst antreten; ob er bis dahin wissen wird, daß es nicht ›utilatem‹, sondern ›utilitatem‹ heißen muß? Rote Narbe überm Nasenbein - und ist also doch Hauptmann geworden; so lange hat der Krieg gedauert; die Fensterscheiben klirrten, wenn wieder eine Sprengladung explodierte, und morgens lag Staub auf der Fensterbank; ich schrieb mit meinem Finger in die Staubschicht: ›Edith, Edith‹ - ich liebte dich mehr, als die Stimme des Blutes mir hätte befehlen können; woher kamst du, Edith, sprich?
    Immer weiter schrumpfte ich; er wird mich auf den Händen tragen können, vom Taxi ins Cafe Kroner; ich werde pünktlich sein; es ist höchstens achtzehn Uhr sechs und dreißig Sekunden; mein Lippenstift ist von der schwarzen Faust voll Rache zerquetscht worden; und es zittern meine morschen Knochen, ich habe Angst, wie werden sie aussehen, meine Zeitgenossen; werden sie dieselben sein wie damals oder nur die gleichen? - und wie steht es mit der goldenen Hochzeit, Alter, im September 1908 - weißt du nicht mehr, am 13. September - wie gedenkst du die goldene Hochzeit zu richten? Silberhaarig die Jubelbraut, silberhaarig der Jubelbräutigam, ringsum die unermeßliche Enkelschar, verzeih, daß ich lache, David - du warst nicht Abraham, aber ich spüre ein wenig von Saras Lachen in mir; nur ein wenig, viel hat in mir nicht Platz, nur eine Nußschale voll Lachen bringe ich mit und eine Handtasche voll Gold; doch
    mein Lachen mag klein sein, es birgt gewaltige Energien, mehr als Roberts Dynamit...
    Feierlich, feierlich, viel zu langsam kommt ihr die Allee herunter; Ediths Sohn vornweg, aber das ist nicht Ruth an seiner Seite; sie war drei, als ich wegging, aber ich würde sie erkennen, wenn ich sie als Achtzigjährige wiedersehen würde; das ist nicht Ruth; Handbewegungen verlernt man nicht; in der Nußschale ist der Baum enthalten; wie oft habe ich Ruths Handbewegung an meiner Mutter gesehen, wenn sie sich das Haar aus der Stirn strich; wo ist Ruth?; sie soll mir verzeihen - dies ist eine Fremde, eine Hübsche; ach, es ist der Schoß, der dir Urenkel gebären wird, Alter; werden es sieben sein, siebenmal sieben? Verzeih, daß ich lache; ihr kommt wie Herolde, langsam, viel zu feierlich; wollt ihr die Jubelbraut holen? Hier bin ich, bereit, geschrumpft wie ein uralter Apfel, du kannst mich auf den Händen ins Taxi tragen, Alter, aber rasch: ich habe keine Sekunde mehr zu verlieren; ja, das Taxi ist schon da: ihr seht, wie gut ich koordinieren kann; jedenfa lls, das habe ich als Architektenfrau gelernt - macht dem Taxi nur Platz - rechts stehen Robert und die hübsche Fremde Spalier - links der Alte mit seinem Enkel; Robert, Robert, ist dies die Stelle, wo du jemand die Hand auf die Schulter legen mußt? Brauchst du Hilfe, Stütze? Komm, Alter, tritt ein, bring Glück herein - wir wollen feiern und lustig sein! Die Zeit ist reif!
12

    Der Portier blickte unruhig auf die Uhr: schon sechs vorüber, Jochen war nicht zur Ablösung erschienen, und der Herr auf Zimmer elf schlief nun einundzwanzig Stunden, hatte das Schild Bitte nicht stören an die Türklinke gehängt, und doch hatte bisher noch niemand hinter der geschlossenen Tür die Stille des Todes gespürt; kein Geflüster, kein Zimmermädchenschrei; Abendessenzeit, dunkle Anzüge, helle Kleider, viel Silber, Kerzenschein, Musik; zum Hummercocktail Mozart, zum Fleischgang Wagner, zum Nachtisch Hot.
    Unheil lag in der Luft; voller Angst blickte der Portier auf die Uhr, die viel zu langsam ihre Sekunden dem Punkte zuschob, wo das Unheil offenbar werden würde; immer wieder das Telefon: Menü 1 auf Zimmer 12, Menü 3 auf Zimmer 218, Sekt auf Zimmer 14; Weekend-Ehebrecher verlangten die nötigen Stimulantia; fünf Globetrotter lümmelten sich in der Halle, warteten auf den Bus, der sie zum Nachtflugzeug bringen würde; ja, gnädige Frau, erste links, zweite rechts, dritte links - die römischen Kindergräber sind abends beleuchtet, Fotografieren ist erlaubt. Oma Bleesiek trank hinten in der Ecke ihren Portwein, hatte endlich Hugo erwischt, der ihr aus der Lokalzeitung vorlas: ›Handtaschenräuber ohne Erfolg. Gestern versuchte am Ehrenfeldgürtel ein junger Mann einer älteren Frau die Handtasche

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