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Billard Um Halb Zehn: Roman

Billard Um Halb Zehn: Roman

Titel: Billard Um Halb Zehn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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keine Visitenkarte, hier trinkt man nicht Schmollis miteinander, hier duzt man sich ungefragt, hier weiß man, daß alle Menschen Brüder sind, wenn auch feindliche Brüder; die einen haben vom Sakrament des Lammes gegessen, wenige nur, Alter, die anderen vom Sakrament des Büffels, und mein Name ist: muß haben ein Gewehr, muß haben ein Gewehr, Zuname: vorwärts mit Hurra und Hindenburg; leg alle deine bürgerlichen Vorurteile, deine Kommentvorstellungen endgültig ab, hier herrscht die klassenlose Gesellschaft; und beklage dich nicht über den verlorenen Krieg. Mein Gott, habt ihr ihn tatsächlich verloren, zwei schon hintereinander? Einem wie dir hätte ich sieben verlorene Kriege gewünscht! Nun, hör mit dem Flennen auf; mir ist's wurscht, wieviel Kriege du verloren hast; verlorene Kinder, das ist schlimmer als verlorene Kriege; du kannst hier im Denklinger Sanatorium ministrieren, eine höchst ehrenvolle Beschäftigung, und rede mir nicht von der deutschen Zukunft; ich hab in der Zeitung gelesen: die deutsche Zukunft ist genau abgesteckt. Wenn du schon weinen mußt, dann weine nicht so weinerlich; Unrecht haben sie dir auch getan, deine Ehre angetastet? Was nützt einem schließlich die Ehre, wenn jeder Fremdling dran kratzen kann, nicht wahr? Aber nun sei zufrieden, in dieser Klapsmühle hier bist du gut untergebracht, hier wird auf jedes Seelenwehwehchen eingegangen, hier werden alle Komplexe respektiert; das ist nur eine Preisfrage: wenn du arm wärst, gäbe es Senge und kaltes Wasser, aber hier wird jedes Spielchen mitgespielt, du hast sogar Ausgang, kannst in Denklingen ein Bier trinken gehen; du brauchst nur
    ›Schußfeld‹ zu rufen, Schußfeld für die zweite, Schußfeld für
    die dritte Armee, und irgend jemand wird dir ›Jawohl, Herr General‹, antworten; Zeit wird nicht als Ganzes, nur im Detail verstanden, sie darf hier nie zu Geschichte werden, verstehst du? Ich will dir ja gern glauben, daß du meine Augen schon gesehen hast, bei jemand, der eine rote Narbe überm Nasenbein trug, ich will dir glauben, aber solche Angaben und solche Zusammenhänge sind hier unerlaubt; hier ist immer heute, heute ist Verdun, heute ist Heinrich gestorben, Otto gefallen, heute ist der 31. Mai 1942, heute flüsterte Heinrich mir ins Ohr: Vorwärts mit Hurra und Hindenburg; du hast ihn gekannt, hast ihm die Hand gedrückt, oder vielmehr er dir; schön, aber nun wollen wir mal hübsch ein bißchen arbeiten; ich weiß noch, welches Gebet für die Ministranten am schwersten zu lernen war, ich hab's mit meinem Sohn Otto gelernt, hab's ihm abhören müssen:
    ›Suscipiat Dominus sacrificium de manibus tuis ad laudem et
    gloriam nominis sui‹ - jetzt kommt das Schwerste, Alter - ›ad utilitatem quoque nostram, totiusque Ecclesiae sua sanctae‹ - sprich's nach, Alter - nein, ›ad utilitatem‹, nicht ›utilatem‹ - den Fehler machen sie alle - ich schreib's dir auf einen Zettel, wenn du willst, oder lies es in deinem Gebetbuch nach - und nun, adieu, Abendbrotzeit, Schußfeld; laß dir's schmecken...«
    Über die breiten schwarzen Wege an der Kapelle vorbei zum Gewächshaus zurück; nur Mauern waren Zeugen, als sie die Tür mit dem Schlüssel öffnete, an leeren Blumentöpfen, modrig riechenden Beeten vorbei leise in das Büro des Obergärtners ging; sie nahm die Pistole vom Ständer, öffnete die weiche schwarze Handtasche, das Leder schloß sich um die Pistole, leicht ließ sich der Verschluß zuknipsen; lächelnd, leere Blumentöpfe streichelnd, verließ sie das Gewächshaus, schloß hinter sich die Tür wieder zu; nur die dunklen Mauern waren Zeugen, als sie den Schlüssel abzog; langsam ging sie über die breiten schwarzen Wege zum Haus zurück.
    Huperts deckte den Abendbrottisch in ihrem Zimmer; Tee, Brot, Butter, Käse und Schinken; er blickte lächelnd auf, sagte:
    »Sie sehen blendend aus, gnädige Frau.«
    »So«, sagte sie, legte ihre Handtasche auf die Kommode, nahm den Hut vom dunklen Haar, fragte lächelnd: »Ob der Obergärtner mir wohl ein paar Blumen bringen könnte?«
    »Der ist aus«, sagte Huperts, »hat Ausgang bis morgen abend.«
    »Und niemand außer ihm darf ins Gewächshaus?«
    »Nein, gnädige Frau, darin ist er schrecklich eigen.«
    »Dann muß ich wohl bis morgen abend warten, oder ich besorg mir welche in Denklingen oder Dodringen.«
    »Sie wollen ausgehen, gnädige Frau?«
    »Ja, wahrscheinlich, es ist ein so schö ner Abend, ich darf doch, nicht wahr.«
    »Natürlich, natürlich - Sie

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