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Billard Um Halb Zehn: Roman

Billard Um Halb Zehn: Roman

Titel: Billard Um Halb Zehn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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schaffen
    machen, wird uns zeigen, wohin politische Vernunft führt und die Vernunft des Geldes: ein Pferd für einen Apfel, und eine Billion für ein Bonbon, und dann keinen halben Groschen für ein Stück Seife, und immer ordentlich; ich hab's gesehen und hab's gehört, wie sie den Namen vor sich hertrugen; dumm wie Erde, taub wie ein Baum, und sorgte für Ordnung; anständig, anständig, Ehre und Treue, Eisen und Stahl, Geld und notleidende Landwirtschaft; Vorsicht, Junge, wo die Äcker dampfen und die Wälder rauschen, Vorsicht: da wird das Sakrament des Büffels geweiht.
    Glaub nicht, daß ich verrückt bin, ich weiß genau, wo wir sind: in Denklingen, hier, da siehst du den Weg, zwischen den Bäumen führt er an der blauen Wand hinauf bis zu der Stelle, wo die gelben Busse wie Käfer vorbeikriechen; sie haben mich hergebracht, weil ich deine Kinder hungern ließ, nachdem das letzte Lamm von den flatternden Vögeln getötet worden war; es ist Krieg, Zeit an Beförderungen ablesbar; Leutnant warst du, als du weggingst, zwei Jahre: Oberleutnant. Bist du noch nicht Hauptmann? Diesmal werden sie es unter vier Jahren nicht tun, vielleicht dauert es sechs, dann wirst du Major; verzeih, daß ich lache; treib's nicht zu weit mit deinen Formeln im Gehirn und verliere nicht die Geduld und nimm keine Privilegien an; wir essen nicht einen Krümel mehr, als es auf Lebensmittelkarten gibt; Edith ist damit einverstanden; iß, was alle essen, zieh an, was alle anziehn, lies, was alle lesen; nimm nicht die Extrabutter, das Extrakleid, das Extragedicht, das dir den Büffel auf elegantere Weise anbietet. Voll ist ihre Rechte von Geschenken, Schmiergelder in vielfältiger Münze. Ich wollte auch deine Kinder keine Privilegien genießen lassen, sie sollten die Wahrheit auf ihren Lippen kosten, aber sie brachten mich weg von den Kindern; das nennt man Sanatorium, hier darfst du verrückt sein, ohne verprügelt zu werden, hier wird dir nicht kaltes Wasser über den Körper geschüttet, und ohne Einwilligung der Anverwandten bekommst du das spanische
    Hemd nicht angezogen; ich hoffe, ihr werdet nicht einwilligen, daß sie's mir anziehen; ich kann sogar ausgehen, wenn ich will, denn ich bin harmlos, ganz harmlos, Junge; doch ich will nicht ausgehn, will die Zeit nicht sehen und nicht täglich spüren müssen, daß das heimliche Lachen getötet worden ist, die verborgene Feder im verborgenen Uhrwerk zerbrochen; er fing plötzlich an, sich ernst zu nehmen; feierlich, sage ich dir; da wurden ganze Gebirge von Steinen vermauert, ganze Wälder Bauholz geschlagen, und Beton, Beton, du hättest den Bodensee damit zuschütten können; im Bauen suchen sie Vergessen, das ist wie Opium; du glaubst gar nicht, was so ein Architekt in vierzig Jahren alles zusammenbaut - ich bürstete ihm die Mörtelspuren vom Hosenrand, die Gipsflecken vom Hut, er rauchte seine Zigarre, den Kopf in meinem Schoß, und wir beteten die Litanei des Weißt-du- noch ab: weißt du noch 1907, 1914, 1921, 1928, 1935 - und die Antwort war immer ein Bauwerk - oder ein Todesfall; weißt du noch, wie Mutter starb, weißt du noch, wie Vater starb, Johanna und Heinrich? Weiß t du noch, wie ich Sankt Anton baute, Sankt Servatius und Bonifatius und Modestus, den Damm zwischen Heiligenfeld und Blessenfeld, das Kloster für die Weißen Väter und für die Braunen, Erholungsheime für die barmherzigen Schwestern, und jede Antwort klang mir im Ohr wie: Erbarme dich unser! Bauwerk auf Bauwerk gehäuft, Todesfall auf Todesfall; er fing an, hinter seiner eigenen Legende herzulaufen, die Liturgie nahm ihn gefangen; jeden Morgen das Frühstück im Cafe Kroner, wo er doch lieber mit uns gefrühstückt hätte, seinen Milchkaffee getrunken, sein Brot dazu gegessen, ihm lag ja gar nichts an dem weichgekochten Ei, dem Toast und diesem scheußlichen Paprikakäse, aber er fing an zu glauben, es läge ihm was dran; ich hatte Angst; er fing an, ärgerlich zu werden, wenn er einen großen Auftrag nicht bekam, wo er doch bisher immer noch froh gewesen war, wenn er einen bekommen hatte; verstehst du? Das ist eine komplizierte Mathematik, wenn du
    auf die Fünfzig, Sechzig zugehst und die Wahl hast, dir entweder an deine m eigenen Denkmal Erleichterung für die Blase zu verschaffen oder in Ehrfurcht daran hochzublicken; kein Augenzwinkern mehr; du warst achtzehn damals, Otto sechzehn - und ich hatte Angst; wie ein wachsamer Vogel mit scharfen Augen hatte ich da oben auf der Pergola gestanden, trug euch

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