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Billard Um Halb Zehn: Roman

Billard Um Halb Zehn: Roman

Titel: Billard Um Halb Zehn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Unterarm des Jünglings und blickte ihm lächelnd in die Augen.
    ›Sie haben also keiner Organisation angehört? Lesen Hölderlin? Gut. Ich muß Sie vielleicht morgen noch einmal holen lassen.‹ Mitleidend bleibt das ewige Herz doch fest.
    Als sein Vater in den Gastraum trat, errötete er, ging auf den Alten zu, nahm ihm den schweren Hut aus der Hand und sagte:
    »Ich habe vergessen, dir zum Geburtstag zu gratulieren, Vater.
    Verzeih. Bier habe ich schon für dich bestellt, ich hoffe, es ist noch frisch genug, sonst...?«
    »Danke«, sagte der Vater, »Dank für die Glückwünsche, und laß das Bier nur, ich mag es gar nicht gern kalt.« Der Vater legte ihm die Hand auf den Oberarm, Robert errötete und dachte an die intime Geste, die sie in der Allee vor der Heilanstalt getauscht hatten; dort hatte er plötzlich das Bedürfnis gespürt, seinem Vater den Arm auf die Schulter zu legen, und der Vater
    hatte diese Geste erwidert, während sie die Verabredung trafen, sich im Denklinger Bahnhof zu treffen.
    »Komm«, sagte Robert, »setzen wir uns, wir haben noch fünfundzwanzig Minuten Zeit.«
    Sie hoben ihre Gläser, nickten einander zu und tranken.
    »Eine Zigarre, Vater?«
    »Nein, danke. Weißt du übrigens, daß sich die Abfahrtszeiten der Züge in fünfzig Jahren kaum geändert haben? Sogar die Emailleschildchen mit den Uhrzeiten drauf sind noch die gleichen; an manchen ist nur das Emaille ein wenig abgesplittert.«
    »Die Stühle, die Tische, die Bilder an der Wand«, sagte Robert, »alles no ch wie früher, wenn wir an schönen Sommerabenden zu Fuß von Kisslingen herüberkamen und hier auf den Zug warteten.«
    »Ja«, sagte der Vater, »nichts ist verändert. Hast du Ruth angerufen; wird sie kommen? Ich habe sie so lange nicht gesehen.«
    »Ja, sie kommt; ich nehme an, sie sitzt schon im Zug.«
    »Wir können schon kurz nach halb fünf in Kisslingen sein, dort Kaffee trinken und bequem bis sieben wieder zu Hause. Ihr kommt zur Feier?«
    »Selbstverständlich, Vater, hast du daran gezweifelt?«
    »Nein, aber ich dachte daran, sie ausfallen zu lassen, sie abzusagen - vielleicht ist es der Kinder wegen besser, das nicht zu tun, und ich habe so vieles vorbereitet für diesen Tag.«
    Der Alte senkte die Augen auf das rot-weiß karierte Tischtuch, zog dort Kreise mit seinem Bierglas; Robert bewunderte die glatte Haut an den Händen; Kinderhände, die ihre Unschuld behalten hatten; der Vater hob die Augen, blickte Robert ins Gesicht.
    »Ich dachte an Ruth und Joseph; du weißt doch, daß Joseph ein Mädchen hat?«
    »Nein.«
    Der Alte senkte den Blick wieder, ließ wieder das Bierglas kreisen.
    »Ich hatte immer gehofft, daß meine beiden Güter hier draußen so etwas wie eure zweite Heimat werden würden, aber ihr habt alle immer lieber in der Stadt gewohnt, sogar Edith - bei Joseph erst scheint sic h mein Traum zu erfüllen; merkwürdig, daß ihr alle immer glaubt, daß er Edith gleicht und nichts von uns hat - und doch gleicht er Heinrich so sehr, daß ich manchmal erschrecke, wenn ich deinen Jungen sehe; Heinrich, wie der geworden wäre - erinnerst du dich an ihn?«
    Brom hieß unser Hund; und ich hielt die Zügel der Kutsche, sie waren aus schwarzem Leder; sie waren brüchig; muß haben ein Gewehr, muß haben ein Gewehr; Hindenburg.
    »Ja, ich erinnere mich an ihn.«
    »Er gab mir den Bauernhof, den ich ihm schenkte, zurück; wem soll ich ihn nun schenken? Joseph oder Ruth? Dir? Möchtest du ihn haben? Besitzer von Kühen und Wiesen, Zentrifugen und Rübenschnitzelmaschinen sein? Traktoren und Heuwendern? Soll ich's dem Kloster übermachen? Von meinem ersten Honorar kaufte ich die beiden Bauernhöfe! Ich war neunundzwanzig, als ich die Abtei baute, und ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was es für einen jungen Architekten bedeutet, einen solchen Auftrag zu bekommen. Skandal. Sensation. Nicht nur deswegen fahre ich so oft hin, um mich an die Zukunft zu erinnern, die inzwischen längst Vergangenheit geworden ist. Ich hatte immer gedacht, im Alter so etwas wie ein Bauer zu werden. Ich bin es nicht geworden, nur ein alter Narr, der mit seiner Frau Blindekuh spielt; wir halten uns abwechselnd die Augen zu, wechseln die Zeiten wie die Scheiben in den Apparaten, mit denen man Bilder an die Wand wirft: bitte: das
    Jahr 1928 - zwei hübsche Söhne an der Hand der Mutter; der eine dreizehn Jahre, der andere elf; der Vater mit der Zigarre im Mund daneben, lächelnd; im Hintergrund der Eiffelturm - oder ist es die

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