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Billard Um Halb Zehn: Roman

Billard Um Halb Zehn: Roman

Titel: Billard Um Halb Zehn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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besser, als die Gedanken und Gefühle aktenkundig zu machen und den Psychologen auszuliefern.
    Er hatte es auch dem freundlichen jungen Mann nicht erklären können, der ihn kopfschüttelnd ansah, ihm die angebrochene Zigarettenschachtel über den Tisch zuschob; er nahm die Zigarettenpackung, sagte Dank, steckte sie in die Tasche, nahm sein Eisernes Kreuz von der Brust, schob es dem jungen Mann über den Tisch zu; das rot-weiß karierte Tischtuch beulte sich, er zog es wieder glatt, während der junge Mann errötete.
    ›Nein, nein‹, sagte Robert, ›verzeihen Sie mir meine Ungeschicklichkeit; ich wollte Sie nicht kränken, aber ich habe das Bedürfnis, Ihnen dies als Andenken zu schenken, Andenken an den, der die Abtei Sankt Anton gesprengt hat und diesen Orden dafür bekam; der sie gesprengt hat, obwohl er wußte, daß der General verrückt war, obwohl er wußte, daß die Sprengung weder taktisch noch strategisch einen Sinn hatte. Ich behalte Ihre Zigaretten gern - darf ich Sie bitten, zu glauben, daß wir nur als Gleichaltrige Geschenke gewechselt haben?‹
    Vielleicht hatte er es getan, weil ein halbes Dutzend Mönche damals zur Sonnwendfeier den Kosakenhügel hinaufgezogen waren und oben, als das Feuer aufloderte: Es zittern die morschen Knochen angestimmt hatten; Otto zündete das Feuer an, und er selber stand dabei, mit seinem kleinen Sohn auf dem Arm, Joseph, dem blondgelockten, der vor Freude über das lodernde Feuer in die Hände klatschte; Edith, neben ihm, preßte seine rechte Hand; vielleicht auch, weil Otto ihm nicht einmal fremd gewesen war in einer Welt, in der eine Handbewegung das Leben kostete; rings ums Sonnwendfeuer die Dorfjugend aus Dodringen, Schaklingen, Kisslingen und Denklingen: die
    erhitzten Gesichter der jungen Männer und Mädchen leuchteten
    wild im Sonnwendfeuer, das Otto hatte entzünden dürfen, und alle sangen, was der biedere Mönch, der dem biederen Ackerpferd die Sporen in die Flanken bohrte, anstimmte: Es zittern die morschen Knochen. Gröhlend, mit Fackeln in der Hand, zogen sie den Berg hinunter; sollte er dem jungen Mann sagen, daß er es tat, weil sie die Weisung Weide meine Lämmer nicht befolgt hatten; und daß er nicht eine Andeutung von Reue spüre; er sagte laut:
    ›Vielleicht war es nur ein Spaß, ein Spiel.‹
    ›Komische Späße, komische Spiele treibt ihr hier. Sie sind doch Architekt.‹
    ›Nein, Statiker.‹
    ›Nun ja, meinetwegen, das ist doch kaum ein Unterschied.‹
    ›Sprengen‹, sagte er, ›ist nur die Umkehrung der Statik. Sozusagen ihr Reziprok.‹
    ›Verzeihen Sie‹, sagte der junge Mann, ›in Mathematik war ich immer schwach.‹
    ›Und mir war sie immer ein reines Vergnügen.‹
    ›Ihr Fall beginnt, mich privat zu interessieren. Soll der Hinweis auf Ihre Liebe zur Mathematik bedeuten, daß bei der Sprengung ein gewisses berufliches Interesse vorlag?‹
    ›Vielleicht. Für einen Statiker ist es natürlich von hohem Interesse, zu wissen, welche Kräfte notwendig sind, die statischen Gesetze auszulöschen. Sie werden zugeben, daß es eine perfekte Sprengung war.‹
    ›Aber wollen Sie im Ernst behaupten, daß dieses sozusagen abstrakte Interesse eine Rolle gespielt haben könnte?‹
    ›Ja.‹
    ›Ich glaube, ich kann auf die politische Vernehmung nun doch nicht verzichten. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß falsche Angaben zu machen sinnlos wäre; wir besitzen alle erforderlichen Unterlagen, um Ihre Aussage zu prüfen.‹
    Es fiel ihm ein, in diesem Augenblick erst, daß Vater die Abtei vor fünfunddreißig Jahren gebaut hatte; sie hatten es so oft gehört und bestätigt bekommen, daß es schon nicht mehr wahr war, und er hatte Angst, der junge Mann würde es herausbekommen und glauben, die Erklärung gefunden zu haben: Vaterkomplex; vielleicht wäre es doch besser, dem jungen Mann zu sagen: weil sie die Lämmer nicht geweidet haben, und ihm damit einen handfe sten Grund zu geben, ihn für verrückt zu halten; aber er blickte nur durchs Fenster auf den schlanken Turm von Sankt Severin wie auf eine Beute, die ihm entgangen war, während der junge Mann ihm Fragen stellte, die er alle, ohne nachzudenken, mit Nein beantworten konnte.
    Das Mädchen schob den leergewordenen Teller von sich weg, nahm den des jungen Mannes, hielt die beiden Gabeln einen Augenblick in der rechten Hand, während sie mit der linken den Teller des jungen Mannes auf den ihren setzte, legte dann die beiden Gabeln auf den oberen Teller, die freigewordene Rechte auf den

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