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Billard Um Halb Zehn: Roman

Billard Um Halb Zehn: Roman

Titel: Billard Um Halb Zehn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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sagte Robert, »auf dem Gesicht eines Hotelboys, der Hugo heißt - ich werde ihn dir zeigen.«
    »Ich werde diesem Jungen den Gutshof schenken, den Heinrich nicht wollte; schreib mir seinen Namen und seine Adresse auf den Bierdeckel; auf Bierdeckeln werden die wichtigsten Botschaften überbracht; und sag mir Bescheid, wenn du etwas von Ediths Bruder hörst. Lebt er?«
    »Ja. Hast du immer noch Angst vor ihm?«
    »Ja. Das Schreckliche an ihm war, daß er nichts Rührendes hatte; als ich ihn über den Hof gehen sah, wußte ich, daß er stark war, und daß er alles, was er tat, nicht aus Gründen tat, die für andere Menschen gelten konnten: daß er arm war oder reich, häßlich oder schön; daß seine Mutter ihn geschlagen oder nicht geschlagen hatte; lauter Gründe, aus denen irgendeiner irgend etwas tut: entweder Kirchen baut oder Frauen mordet, ein guter Lehrer wird oder ein schlechter Organist; bei ihm wußte ich: keiner dieser Gründe würde irgend etwas erklären; damals war die Zeit, in der ich noch lachen konnte, aber bei ihm fand ich keinen Spalt, wo ich mein Lachen hätte ansetzen können; das machte mir Angst, als wäre ein dunkler Engel über unseren Hof
    gegangen, ein Gerichtsvollzieher Gottes, der dich pfändete; er hat es getan, hat dich gepfändet; er hatte nichts Rührendes; selbst als ich hörte, daß sie ihn geschlagen hatten und umbringen wollten, war ich nicht gerührt...«
    »Herr Rat, ich habe Sie jetzt erst erkannt; ich freue mich, Sie wohl zu sehen; es müssen Jahre her sein, daß Sie zuletzt hier waren.«
    »Ach, Mull, Sie sind's? Lebt Ihre Mutter noch?«
    »Nein, Herr Rat, wir haben sie unter die Erde bringen müssen. Es war ein riesiges Begräbnis. Sie hat ein volles Leben gehabt: sieben Kinder und sechsunddreißig Enkel, elf Urenkel; ein volles Leben. Tun die Herren mir die Ehre an, auf das Wohl meiner verstorbenen Mutter zu trinken?«
    »Mit Freuden, lieber Mull - sie war eine großartige Frau.«
    Der Alte stand auf, auch Robert erhob sich, während der Wirt zur Theke ging, die Biergläser vollaufen ließ; die Bahnhofsuhr zeigte erst zehn nach vier; zwei Bauern warteten an der Theke, schoben gelangweilt mit Senf beschmierte Frikadellen in ihre Münder, tranken mit wohligem Seufzen ihr Bier; mit rotem Gesicht, feuchten Augen kam der Wirt an den Tisch zurück, stellte die Biergläser vom Tablett auf den Tisch, nahm seins in die Hand.
    »Auf das Wohl Ihrer Mutter, Mull«, sagte der alte Fähmel. Sie hoben ihre Gläser, tranken einander zu, setzten die Gläser ab.
    »Wissen Sie eigentlich«, sagte der Alte, »daß Ihre Mutter mir vor fünfzig Jahren Kredit gab, wenn ich durstig und hungrig von Kisslingen herüberkam; damals wurde die Bahnstrecke repariert, und es machte mir noch nichts aus, vier Kilometer zu laufen; auf Ihr Wohl, Mull, und das Ihrer Mutter. Dies ist mein Sohn, Sie kennen ihn noch nicht?«
    » Fähmel - angenehm.«
    »Mull - angenehm.«
    »Sie kennt hier jedes Kind, Herr Rat, jedermann weiß, daß Sie unsere Abtei gebaut haben, und manche Großmutter weiß noch Geschichten von Ihnen zu erzählen; wie Sie ganze Wagenladungen Bier für die Maurer bestellten und beim Richtfest ein Solo getanzt haben. Diesen Schluck auf Ihr Wohl, Herr Rat.«
    Sie tranken im Stehen die Gläser aus; Robert, mit dem leeren Glas in der Hand, starrte dem Wirt nach, der zur Theke zurückging, die leeren Teller des Pärchens in die Durchreiche schob, dann mit dem jungen Mann abrechnete. Sein Vater zog ihn am Rock.
    »Komm«, sagte der Alte, »setz dich doch, wir haben noch zehn Minuten Zeit. Das sind prächtige Leute, die haben das Herz auf dem rechten Fleck.«
    »Und du hast keine Angst vor ihnen, nicht wahr, Vater?«
    Der Alte blickte seinen Sohn voll an; sein schmales noch glattes Gesicht lächelte nicht.
    »Diese Leute waren es«, sagte Robert, »die Hugo quälten - vielleicht war auch einer von ihnen Ferdis Henker!«
    »Während du weg warst und wir auf Nachricht von dir warteten, hatte ich Angst vor jedem Menschen - aber vor Mull Angst haben? Hast du Angst vor ihm?«
    »Ich frage mich bei jedem Menschen, ob ich ihm ausgeliefert sein möchte, und es gibt nicht viele, bei denen ich sagen würde: ja.«
    »Und Ediths Bruder warst du ausgeliefert?«
    »Nein. Wir bewohnten in Holland ein Zimmer gemeinsam, teilten alles, was wir hatten, spielten den halben Tag Billard, studierten die andere Hälfte des Tages; er Deutsch, ich Mathematik; ich war ihm nicht ausgeliefert, würde mich ihm aber jederzeit

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