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Billard um halbzehn

Billard um halbzehn

Titel: Billard um halbzehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Droschke, zu Hause in die Arme meiner Frau, die mich küßte, zärtlich meine übermüdeten Augen streichelte, stolz über Mörtelspuren strich, die meine Ärmel zierten; beim Kaffee, den Kopf in ihrem Schoß, rauchte ich die langersehnte Zigarre, eine Sechziger, und erzählte ihr von fluchenden Maurern; die mußte man kennen, waren nicht bösartig, vielleicht ein bißchen grob, ein bißchen rot, aber ich wußte mit ihnen umzugehen; denen mußte man hin und wieder einen Kasten Bier spendieren, ihnen
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    auf Platt ein paar Witze erzählen; nur nie meckern; sonst kippten sie einem eine ganze Wanne Mörtel vor die Füße, wie sie es beim Baubeauftragten des Erzbischofs gemacht hatten, oder warfen vom hohen Gerüst einen Balken herunter, wie sie es beim Regierungsbaumeister gemacht hatten: der riesige Balken zersplitterte genau vor seinen Füßen. ›Glaubst du, ich weiß nicht, Liebste, daß ic h von ihnen abhänge, nicht sie von mir, wo doch gebaut wird, gebaut, überall? Und natürlich sind sie rot, warum sollten sie's nicht sein? Hauptsache, sie können mauern, mir helfen, meine Termine zu halten; ein Augenzwinkern, wenn ich mit den Kommissionen auf die Gerüste steige, das bewirkt Wunder.‹
    ›Guten Morgen, der Herr. Frühstück?‹
    ›Ja, bitte‹, sagte ich, schüttelte den Kopf, als der Kellner mir die Speisekarte hinhielt, hob meinen Bleistift und skandierte die einzelnen Programmpunkte meines Frühstücks in die Luft, tat so, als hätte ich mein Leben lang nichts anderes gefrühstückt:
    ›Ein Kännchen Kaffee, aber mit drei Tassen Kaffee, bitte, Toast, zwei Scheiben Schwarzbrot, Butter, Orangenmarmelade, ein gekochtes Ei und Paprikakäse.‹
    ›Paprikakäse?‹
    ›Ja, Rahmkäse mit Paprika angemacht.‹
    ›Sehr wohl.‹
    Es glitt lautlos über den grünen Teppich, das grüne Kellnergespenst, an grüngedeckten Tischen zum Küchenschalter hin, und die erste Replik kam prompt; die Komparserie war gut gedrillt und ich ein guter Regisseur: ›Paprikakäse?‹ fragte der Koch hinterm Schalter: ›Ja‹, sagte der Kellner, ›Rahmkäse mit Paprika.‹ ›Frag den Herrn, wieviel Paprika er im Käse haben will.‹
    Ich hatte angefangen, die Front des Bahnhofsgebäudes zu zeichnen, zog mit sicherem Strich die Umrandung der Fenster auf unschuldig weißes Papier, als der Kellner zurückkam; er
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    blieb wartend stehen, bis ich den Kopf hob, erstaunt meinen Stift vom Papier nahm.
    ›Gestatten die Frage, wieviel Paprika in wieviel Käse der Herr wünschen?‹
    ›Fünfundvierzig Gramm Käse, mit einem Fingerhut voll Paprika gut durchgeknetet - und hören Sie, Ober, ich werde auch morgen hier frühstücken, übermorgen, den Tag nach übermorgen, in drei Wochen, drei Monaten und drei Jahren -
    hören Sie? Und immer um die gleiche Zeit, gegen neun.‹
    ›Sehr wohl.‹
    Das war's, was ich wollte, und es traf ein: genau. Später erschrak ich oft, weil meine Pläne sich so genau erfüllten, das Unvorhergesehene nie geschah; nach zwei Tagen schon war ich
    ›Der Herr mit dem Paprikakäse‹, eine Woche später! ›Der junge Künstler, der immer gegen neun zum Frühstück kommt‹, nach drei Wochen: ›Herr Fähmel, der junge Architekt, der an einem großen Auftrag arbeitet.‹
    »Ja, ja, Kind, das alles betrifft die Abtei Sankt Anton; das zieht sich durch Jahre, Leonore, Jahrzehnte, bis auf heute; Reparaturen, Erweiterungsbauten und nach fünfundvierzig der Aufbau nach den alten Plänen; Sankt Anton wird allein ein ganzes Regal füllen. Ja, Sie haben recht, ein Ventilator wäre hier angebracht, es ist heiß heute; nein, danke, ich will mich nicht setzen.«
    Im Wechselrahmen der blaue Nachmittagshimmel des 6.
    September 1958, das Profil der Dächerreihe, jetzt wieder ohne Lücken; Teekannen auf bunten Tischen in Dachgärten; Frauen auf Liegestühlen, lässig in der Sonne hingestreckt, brodelnd der Bahnhof von Ferienheimkehrern - wartete er deshalb vergebens auf Ruth, seine Enkelin? War sie verreist, hatte Kabale und Liebe beiseite gelegt? Er tupfte sich vorsichtig mit dem Taschentuch die Stirn, Hitze und Kälte hatten ihm nie etwas ausgemacht; rechts in der Ecke des Wechselrahmens ritten
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    Hohenzollern-Könige immer noch auf Bronzegäulen westwärts, unverändert seit achtundvierzig Jahren, auch der eine, sein oberster Kriegsherr; immer noch war seine verhängnisvolle Eitelkeit an der Kopfhaltung zu erkennen; lachend zeichnete ich damals, am Frühstückstisch im Cafe Kroner, den Sockel, der noch kein Denkmal

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