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Billard um halbzehn

Billard um halbzehn

Titel: Billard um halbzehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Robert: du hast versprochen, mir ein Gewehr zu besorgen. Vergiß es nicht. Gib acht, Junge, wenn du Leitern hinaufsteigen mußt; komm, laß dich küssen und verzeih, daß ich lache: wie geschickt die Friseure heutzutage sind.«
    Aufrecht stieg er die Leiter hinauf, trat in die graue Unendlichkeit zwischen den Sprossen, während David von oben herab auf ihn zukam; klein; sein Leben lang hätte er die Anzüge tragen können, die er sich als junger Mann gekauft hatte; Vorsicht! warum müßt ihr zwischen den Stufen stehenbleiben, warum könnt ihr euch nicht wenigstens auf die Sprossen setzen, wenn ihr miteinander reden müßt, beide aufrecht; umarmten sie sich wirklich, legte der Sohn dem Vater, der Vater dem Sohn den Arm auf die Schulter?
    Kaffee, Huperts, stark, heiß, mit viel Zucker; stark und süß mag er ihn am Nachmittag, mild am Morgen, mein Gebieter; er kommt aus der grauen Unendlichkeit, in die hinein sich der Aufrechte, Ungebeugte mit langen Schritten entfernt; sie sind mutig, mein Mann und mein Sohn, steigen in das verwunschene
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    Schloß zu mir herunter; mein Sohn zweimal, mein Gebieter nur einmal in der Woche; er bringt den Samstag mit, trägt den Kalender in den Augen und läßt mir nicht die Hoffnung, sein Äußeres der Geschicklichkeit der Friseure zuzuschreiben; achtzig ist er, hat heute Geburtstag, wird feierlich im Cafe Kroner begange n; ohne Sekt; den haßte er immer, und ich erfuhr nie, warum. Du hast einmal davon geträumt, eine Riesenfeier an diesem Tag zu veranstalten: siebenmal sieben Enkel, dazu Urenkel, Schwiegertöchter, angeheiratete Enkel mit Enkelinnen; du hast dich immer ein wenig wie Abraham gefühlt, Gründer einer gewaltigen Sippe, hast dich selbst in den Traumkabinetten der Zukunft mit dem neunundzwanzigsten Urenkel auf dem Arm gesehen. Fortpflanzen, fortpflanzen; das wird ein traurige Feier geben: nur ein Sohn, der blonde Enkel, die schwarzhaarige Enkelin, die Edith dir schenkte, und die Mutter der Sippe im verwunschenen Schloß, nur über unendlich lange Leitern mit Riesensprossen erreichbar.
    »Tritt ein, bring Glück herein, alter David, immer noch mit der Taillenweite der Jugend; verschone mich mit dem Kalender in deinen Augen; ich fahre dahin auf dem winzigen Kalenderblatt, das den Namen 31. Mai 1942 trägt; zerstöre mein Boot nicht; erbarme dich meiner, Geliebter, zerstöre nicht das Papierschiffchen, aus einem Kalenderblatt ge faltet, und stürz mich nicht in den Ozean der sechzehn Jahre. Weißt du noch: Der Sieg wird erkämpft, nicht geschenkt; wehe denen, die nicht vom Sakrament des Büffels essen; du weißt auch, daß Sakramente die schreckliche Eigenschaft haben, nicht der Endlichkeit unterworfen zu sein; und sie hatten Hunger, und es fand keine Brotvermehrung für sie statt, keine Fischvermehrung, das Sakrament des Lammes stillte nicht ihren Hunger, das des Büffels bot reichliche Nahrung; sie hatten nicht rechnen gelernt: eine Billion für ein Bonbon, ein Pferd für einen Apfel, und dann keine drei Pfennige für ein Brötchen; und immer ordentlich, anständig, Ehre, Treue; mit dem Sakrament des Büffels geimpft,
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    sind sie unsterblich; gib's auf, David, wozu die Zeit mit sich herumschleppen; sei barmherzig, lösch den Kalender in deinen Augen aus; Geschichte machen die ändern; dein Cafe Kroner ist dir sicher, irgendwann ein Denkmal, ein kleines aus Bronze, wird dich mit einer Zeichenrolle in der Hand zeigen: klein, zart, lächelnd, etwas zwischen jungem Rabbiner und Bohemien, mit dem unbestimmten Air ländlicher Herkunft; du hast doch gesehen, wohin politische Vernunft führt - willst du mir die politische Unvernunft rauben? Von deinem Atelierfenster aus riefst du mir zu: ›Mach dir keinen Kummer, ich werde dich lieben und dir die schrecklichen Sachen ersparen, von denen dir deine Schulfreundinnen erzählen; Sachen, wie sie angeblich in Hochzeitsnächten passieren; glaub dem Geflüster dieser Närrinnen nicht; wir werden lachen, wenn es soweit ist, bestimmt, ich verspreche es dir, aber du mußt noch warten, ein paar Wochen, höchstens einen Monat, bis ich den Blumenstrauß kaufen, die Droschke mieten, vor eurem Haus vorfahren kann.
    Wir werden reisen, uns die Welt anschauen, du wirst mir Kinder schenken, fü nf, sechs, sieben; die Kinder werden mir Enkel schenken, fünfmal, sechsmal, siebenmal sieben; du wirst nie merken, daß ich arbeite; ich werde dir den Männerschweiß ersparen, Muskelernst und Uniformernst; alles geht mir leicht von der Hand, ich

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