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Billard um halbzehn

Billard um halbzehn

Titel: Billard um halbzehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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hab's gelernt, ein bißchen studiert, hab den Schweiß im voraus bezahlt; ich bin kein Künstler; mach dir keine Illusionen; ich werde dir weder falsche noch echte Dämonie bieten können, das, wovon dir deine Freundinnen Gruselmärchen erzählen, werden wir nicht im Schlafzimmer tun, sondern im Freien: du sollst den Himmel über dir sehen. Blätter oder Gräser sollen dir ins Gesicht fallen, du sollst den Geruch eines Herbstabends schmecken und nicht das Gefühl haben, an einer widerwärtigen Turnübung teilzunehmen, zu der du verpflichtet bist; du sollst herbstliches Gras riechen, wir werden im Sand liegen, unten am Flußufer, zwischen den
    Weidenbüschen, gleich oberhalb der Spur, die das Hochwasser
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    hinterließ; Schilfstengel, Korken, Schuhcremedosen, eine Rosenkranzperle, die einer Schifferfrau über Bord fiel, und in einer Limonadenflasche eine Post; in der Luft der bittere Rauch der Schiffsschornsteine; rasselnde Ankerketten; wir werden keinen blutigen Ernst draus machen, obwohl's natürlich ernst und blutig ist.‹
    Und der Korken, den ich mit meinen nackten Zehen aufnahm und dir zur Erinnerung anbot? Ich hob ihn auf, schenkte ihn dir, weil du mir das Schlafzimmer erspart hattest, die dunkle Folterkammer aus Romanen, Freundinnengeflüster mit Nonnenwarnungen; Weidenzweige hingen mir in die Stirn, silbergrüne Blätter hingen mir über die Augen, die dunkel waren und glänzten; die Dampfer tuteten, mir zur Feier, riefen mir zu, daß ich nicht mehr Jungfrau sei; Dämmer, Herbstabend, längst waren alle Ankerketten gefallen, Matrosen und Schifferfrauen stiegen über schwankende Stege an Land, und schon begehrte ich, was ich vor Stunden noch gefürchtet hatte; und es kamen mir doch ein paar Tränen, weil ich mich meiner Vorfahren nicht würdig fühlte, die sich geschämt hätten, aus der Pflicht ein Vergnügen zu machen; du hast mir Weidenblätter auf die Stirn und die Tränenspur geklebt, unten am Flußufer, wo meine Füße Schilfrohr berührten, Flaschen mit Sommerfrischlergrüßen an die Bewohner; woher kamen alle die Schuhcremedosen, waren sie für die blanken Stiefel ausgehbereiter Matrosen, für die schwarzen Einkaufstaschen der Schifferfrauen, für die blanken Mützenschirme bestimmt gewesen, die im Dämmer blitzten, als wir später in Trischlers Cafe auf den roten Stühlen saßen? Ich bewunderte die herrlichen Hände dieser jungen Frau, die uns gebratenen Fisch brachte, Salat, der so grün war, daß mir die Augen schmerzten; Wein; die Hände dieser jungen Frau, die achtundzwanzig Jahre später den Rücken meines zerschundenen Sohnes mit Wein wusch; du hättest Trischler nicht anbrüllen sollen, als er anrief und von Roberts Unfall erzählte; Hochwasser, Hochwasser, immer hat es mich gelockt, mich
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    hineinzuwerfen und auf den grauen Horizont zutreiben zu lassen. Tritt ein, bring Glück herein, aber küß mich nicht; zerstöre nicht mein Schiffchen; hier ist Kaffee, süß und heiß, Nachmittagskaffee, stark und ohne Milch, hier sind Zigarren, Sechziger, Huperts hat sie mir besorgt. Wechsele die Optik deiner Augen aus, Alter, ich bin ja nicht blind, nur verrückt und kann wohl lesen, welches Datum da unten in der Halle auf dem Kalender steht: 6. September 1958; blind bin ich nicht und weiß, daß ich dein Aussehen nicht der Geschicklichkeit der Friseure zuschreiben kann; spiel mit, schraube die Optik deiner Augen zurück und erzähl mir nicht wieder von deinem strahlenden blonden Enkel, der das Herz seiner Mutter und den Verstand seines Vaters hat und beim Wiederaufbau der Abtei als dein Beauftragter fungiert; hat er das Abitur bestanden? Wird er Statik studieren? Macht jetzt sein Praktikum? Verzeih, daß ich lache; ich habe Bauwerke nie ernst nehmen können; Staub, zusammengebacken, konzentriert, zu Struktur verwandelter Staub; optische Täuschung, Fata morgana, dazu bestimmt, Trümmer zu werden; der Sieg wird erkämpft, nicht geschenkt; ich hab's heute morgen in der Zeitung gelesen, bevor sie mich wegbrachten. ›Jubelwellen brandeten hoch - voll gläubigen Vertrauens lauschten sie den Worten - immer wieder brandeten Jubel und Begeisterung hoch.‹ Soll ich's dir aus der Lokalzeitung vorlesen?
    Deine Enkelschar, nicht siebenmal sieben, sondern zweimal eins, einmal zwei, sie werden keine Privilegien genießen, ich hab's Edith, dem Lamm, versprochen; sie sollen nicht vom Sakrament des Büffels essen, und der Junge lernt das Gedicht für die Schule nicht.
    Lob jeden Hieb, den uns das Schicksal

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