Bille und Zottel 01 - Pferdeliebe auf den ersten Blick
sicherheitshalber schon im Laufen aus dem Koppel. Ein Einbruch in Wedenbruck, das war doch wenigstens mal was.
Im Windschatten des Zweizentnermannes Bode betrat Mutsch die Küche und schaltete das Licht ein. Polizist Bode stürzte vorwärts in den Laden.
„Stehenbleiben oder ich schieße!“ brüllte er mit Donnerstimme.
Hmhmhmhm . . ., machte Zottel ärgerlich.
Er hatte gerade begonnen, sich über den Inhalt des von ihm zertrümmerten Bonbonglases herzumachen und fühlte sich gestört.
Polizist Bode starrte Zottel verwirrt und ungläubig an. Erst ein klägliches Wimmern auf dem Fußboden machte ihn auf den wirklichen Unhold aufmerksam. Umkränzt von sauren Gurken, mit Sahnebonbons garniert, lag da der gar nicht mehr fürchterliche Einbrecher, der nun seinerseits ungläubig auf das rotgesprenkelte Pferd stierte, das er für den Satan persönlich gehalten hatte.
Einen Augenblick herrschte Totenstille, dann brach Mutsch in schallendes Gelächter aus und Polizist Bode prustete unter Lachen hervor: „Stehen Sie auf Mann, Sie sind verhaftet!“
Bille, die einen gesegneten Schlaf hatte, taumelte durch die Küche und erschien mit halbgeschlossenen Augen im Türrahmen.
„Was soll denn dieser blödsinnige Lärm mitten in der Nacht“, brachte sie gähnend hervor, „was ist hier eigentlich los?“
Mutsch betrachtete ihre im Stehen schlafende Tochter mit gutmütigem Spott.
„Nichts“, sagte sie trocken. „Zottel hat nur einen Einbrecher überwältigt. Geh nur wieder ins Bett.“
„Ach so“, murmelte Bille, „dann ist es ja gut. Ich dachte schon, es sei was passiert.“ Wie eine Schlafwandlerin stieg sie wieder die Treppe hinauf.
Polizist Bode und Frau Abromeit sahen ihr verblüfft nach. Dann wurde der Polizist wieder dienstlich.
„Los, Mann, stehen Sie endlich auf!“
„Ich kann nicht!“ jammerte der Einbrecher. „Das Biest hat mir ein Bein zertrümmert!“
Polizist Bode band das Koppel über der rutschenden Schlafanzughose fester, dann bückte er sich, warf sich den stöhnenden Einbrecher über die Schulter und ging zur Tür.
„Na, denn gute Nacht, Olga“, sagte er und verschwand mit seiner Last in der Dunkelheit.
„Und du kannst für den Rest der Nacht im Schuppen schlafen. Der ist zwar nicht so komfortabel wie deine Box, aber wenigstens trocken“, sagte Mutsch zu Zottel gewandt. „Komm, Herr Hilfspolizist.“
Aber Zottel hörte nicht. Der machte gerade eine neue Erfahrung: Daß es Bonbons gab, die einen daran hinderten, die Zähne auseinanderzubekommen.
Geheimnisvolle Briefe
Als Bille und Karlchen am nächsten Morgen Zottel wie einen Sieger zurück in den Stall führten, steckte Petersen Bille einen blauen Briefumschlag zu.
Während Karlchen in leuchtenden Farben Zottels nächtliche Heldentat schilderte, als hätte er danebengestanden, hockte sich Bille auf einen umgestülpten Tränkeimer und riß den Umschlag auf. Er enthielt nichts weiter als einen kleinen Zettel, auf dem in Onkel Pauls steiler Handschrift stand:
„Komm unbedingt heute nachmittag gegen vier Uhr in mein Büro! Eine Überraschung wartet - Gruß! O. P.“
„Herr Petersen“, sagte Bille aufgeregt, „heute nachmittag kann ich leider nicht kommen. Es handelt sich um eine sehr wichtige Verabredung!“
Petersen war gerade dabei, Nathan das Fell auf Hochglanz zu polieren.
„Ist doch klar, mein Deern“, rief er, „bist doch sowieso ein freiwilliger Helfer hier und kannst kommen und gehen wie du magst, wenn du deinen Zottel versorgt hast. Außerdem hast du ja gestern für eine ganze Woche vorgearbeitet — die Fenster sind so blank, daß man glaubt, 's wär gar kein Glas drin.“
„Frau Saubermann persönlich, was?“ keuchte Hubert unter Lohengrins Bauch hervor, wo er gerade den fünften vergeblichen Versuch machte, den linken Vorderhuf des Wallachs auszukratzen. Lohengrin pflegte sich dieser Prozedur zu entziehen, indem er sein ganzes Gewicht auf das Bein legte, das gerade dran war. „Karlchen!“ brüllte Hubert ärgerlich. „Ich geb dir das Geld nicht, damit du hier rumstehst und quatschst! Hilf mir mal!“
Bille begann mit Zottels Morgentoilette. Die Zähne hatte sie ihm mit Mutschs Hilfe schon zu Hause gereinigt, um die Reste der Sahnebonbons zu entfernen. Ihr war nicht sehr wohl bei dem Gedanken an seinen ungewöhnlichen Imbiß.
„Was mache ich eigentlich, wenn Zottel mal ’ne Kolik bekommt?“ rief sie zu Petersen hinüber.
„Gib ihm Rizinus!“ quakte Karlchen.
Petersen beachtete ihn nicht.
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