Bille und Zottel 08 - Ein Filmstar mit vier Beinen
zum...“ Erwin stampfte mit dem Fuß auf, zuckte aber, gleich darauf mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammen, denn seine geschundenen Knochen nahmen jede heftige Erschütterung übel. Stöhnend ließ sich Erwin auf die Stufen der abweisenden Eingangstür sinken — mit sich und der Welt zerfallen.
Aber auch Zottel schien nicht zufrieden zu sein. Er spazierte ein wenig im Wirtshausgarten herum, schnupperte hier und dort, zupfte lustlos an dem einen oder anderen Grashalm und wandte sich schließlich zum Gehen.
„Mach, was du willst! Ich renn dir nicht mehr nach, du dämliches Luder. Du kriegst es fertig und führst mich noch zwanzig Kilometer in die falsche Richtung. He! Laß mal sehen!“ Erwin hatte in der Richtung, die Zottel nun einschlug, ein Schild entdeckt. Ächzend kam er wieder auf die Beine und ging näher an das Schild heran.
„Nach Wedenbruck ! Sieh einer an! Du bist mir ja ein ganz Schlauer! Bevor du den Heimathafen anläufst, erst mal einen Abstecher in die Kneipe — Pech für uns beide, alter Junge, daß die Bude geschlossen hat. Wedenbruck — da ist doch Groß- Willmsdorf gleich nebenan — das muß der Weg sein.“
Von neuer Hoffnung beflügelt, trottete Erwin hinter Zottel her. Abwechselnd rieb er sich die schmerzende Nase und den Rücken, auch das Hinterteil schmerzte unerträglich, und seine Beine fühlten sich an wie mit Erbsensuppe gefüllt. Erwin hatte das Gefühl, mit jedem Schritt kleiner zu werden.
„Nicht so schnell, Junge, ich kann nicht mehr! Nun warte doch mal!“ Erwin rannte humpelnd hinter Zottel her und klammerte sich an den Sattel.
Zottel blieb stehen und sah ihn fragend an.
„Nein, nein, mach dir keine falschen Hoffnungen, mit mir nicht mehr! Mit mir hast du’s ein für allemal verdorben!“
Zottel rührte sich nicht vom Fleck und starrte verträumt ins Leere. Erwin geriet in Panik. Wenn das Pony sich nun verlaufen hatte und nicht mehr weiterwußte ? Aber nein, Pferde fanden immer nach Hause! Vielleicht war er beleidigt?
„Also schön, war nicht so gemeint. Immerhin hast du dich sehr, sehr unbeliebt gemacht. Na, was ist nun — gehen wir? Oder willst du hierbleiben? Dann geh ich allein.“
Erwin stolperte ein paar Schritte weiter und stöhnte auf.
„Ich kann nicht mehr, ich geh auf dem Zahnfleisch! Komm her, jetzt ist mir alles egal!“
Mit letzter Kraft zog er sich in den Sattel. Zottel setzte sich munter in Bewegung, als hätte er nur darauf gewartet, seinen ungeschickten Reiter nach Hause zu bringen.
Benommen hing Erwin auf seinem Rücken, die Arme um Zottels Hals geklammert, den Kopf in seine Mähne vergraben. So erreichten sie den Hof.
„Da ist er ja!“ brüllte einer der Bauarbeiter.
„Erwin?“
„Erwin! Guck dir das an! Das hältst du doch im Kopf nicht aus — Erwin auf einem Gaul! Der muß total blau sein, wie er da hängt!“
Im Nu hatten sich sämtliche Kollegen versammelt, um das seltene Schauspiel zu genießen.
„Erwin auf einem Gaul'.“ Die Arbeiter brachen in brüllendes Gelächter aus. „Hab ich doch gleich gesagt, daß der sich höchstens zu reiten traut, wenn er besoffen ist!“
Ein denkwürdiger Besuch
In ihrem ersten Zorn hatte Bille geschworen, Zottel würde für sein Weglaufen eine Woche Stallarrest bekommen. Aber als sie ihren Liebling nach einer ebenso langen wie vergeblichen Suche endlich wiederhatte, war der Ärger schon halb verraucht. Edmund der Weise tat ein übriges, Zottels Verhalten in rosigem Licht erscheinen zu lassen.
„Denk doch mal logisch!“ sagte er und schaute mit lehrerhaft erhobenem Zeigefinger auf Bille hinunter. „Zottel hat äußerst intelligent gehandelt. Wenn er reden könnte, würde er es dir selber erklären — so muß ich es eben tun. Zottel hat begriffen, daß hier einem Angeber eine tüchtige Lektion erteilt werden muß — und genau das hat er getan. Er hat diesem Schnösel gezeigt, wo seine Grenzen sind. Der wird sich in Zukunft überlegen, ehe er mit Fähigkeiten prahlt, die er nicht besitzt.“
„Meinst du? Na, vielleicht hast du recht.“ Bille fuhr ihrem Pony zärtlich mit der Hand durch die Mähne. „Aber in Zukunft meldest du dich gefälligst vorher bei mir ab, wenn du solche Ausflüge unternimmst, Bürschchen!“
Für Bille änderte sich der Tageslauf jetzt entscheidend. Nur gut, daß gerade Osterferien waren, so konnte sie sich in Ruhe auf die neuen Verhältnisse umstellen.
Ihr erster Weg führte nun nicht mehr morgens nach Groß- Willmsdorf , sondern nach Peershof , wo sie
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