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Bin ich hier der Depp

Bin ich hier der Depp

Titel: Bin ich hier der Depp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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Tucholsky solchen Selbstgefälligen ins Stammbuch.
    Warum »Karoshi« in Deutschland noch nicht auf dem Totenschein steht? Weil die Arbeit bei uns wie ein Profikiller tötet: leise und spurlos. Die Firmen sind fein raus – anders als in Japan, wo sie der Tod eines Mitarbeiters teuer zu stehen kommt.
    Hamsterrad-Regel: Wenn sich ein Mitarbeiter in einer Firma zu Tode arbeitet, ist die Schuldfrage sorgfältig zu klären: Liegt es am Mitarbeiter? Oder am Tod?
    Deppen-Erlebnisse
    Wie zwei Tote unseren Chef erweckten
    Unser neuer Vorgesetzter zückte schnell die Rote Karte und verwies Mitarbeiter des Arbeitsfeldes. Doch er war ein gutmütiger Schiedsrichter! Ab 18 Uhr durchstreifte er die Büros, und jeden, den er noch antraf, schickte er nach Hause. Sein Leitspruch lautete: »Bei mir macht niemand Überstunden!«
    Dieses Verhalten überraschte uns. Sein Vorgänger hatte alles getan, uns so lange wie möglich in der Firma festzuhalten. Er dagegen konnte es nicht sehen, wenn ein Mitarbeiter länger als neun Stunden blieb. Warum eigentlich?
    Die Antwort erzählte er uns Monate später: In seiner Ex-Firma war es üblich gewesen, bis in die Nacht zu arbeiten. Dann passierten, in kurzer Abfolge, zwei tödliche Verkehrsunfälle: Ein Mitarbeiter wurde auf dem Heimweg vom Sekundenschlaf übermannt und geriet auf die Gegenfahrbahn. Der zweite missachtete ein Vorfahrtsschild. Beide hatten am Tag ihrer Unfälle vom frühen Morgen bis kurz vor 20 Uhr gearbeitet, unter höchster Anspannung. Übermüdet waren sie aus der Firma aufgebrochen.
    Doch da die tödlichen Unfälle nicht in der Firma passiert waren, sondern auf der Straße, stellte die Polizei keinen Zusammenhang her. Niemand im Unternehmen zog Konsequenzen – bis auf einen Vorgesetzten. Er suchte sich einen neuen Arbeitgeber und schwor sich: »Bei mir macht niemand Überstunden!«
    Hartmut Willmann, Bankkaufmann
    Wie meine Chefin zur Gesundheitsschützerin wurde
    Eine Sekunde hatte ich geglaubt, meine Vorgesetzte sei besorgt, als sie meine glühenden Wangen und meine glasigen Augen sah. Schon seit den Morgenstunden hustete ich gegen einen fiebrigen Infekt an, die Kollegen im Großraumbüro umkurvten mich weiträumig wie eine Großbaustelle. Eigentlich wäre ich nach Hause gegangen, aber wieder einmal lag eine dringende Terminarbeit der Chefin auf meinem Tisch.
    Am späten Nachmittag steuerte die Chefin meinen Schreibtisch an. In einem Sicherheitsabstand von zwei Armlängen machte sie Halt: »Ihnen geht es heute nicht so gut?«
    »Allerdings!«, sagte ich – und schickte unfreiwillig ein Husten hinterher.
    »Dann gehen Sie doch nach Hause.«
    Na nu? War meine Gesundheit auf einmal wichtiger als die Arbeit? »Aber Sie wollen doch heute noch das Ergebnis von mir.«
    »Das machen Sie ausnahmsweise mal zu Hause fertig.«
    »Dann kann ich es auch hier abschließen. Es wird aber noch ein paar Stunden dauern.«
    »Gehen Sie nach Hause. Es ist besser.«
    »Und warum?«, fragte ich.
    »Weil Sie dann niemanden anstecken. Ich brauche alle Leute diese Woche.«
    Sie wollte nicht mich schützen, nur eine Massengrippe, einen Produktionsausfall, verhindern. Und großzügig fügte sie hinzu: »Arbeiten Sie morgen ruhig auch zu Hause, falls Ihre Erkältung sich nicht bessert.«
    Ist sie mal auf die Idee gekommen, dass ich mit meiner Krankheit kämpfen musste, statt mit der Arbeit? Ich hustete in ihre Richtung, diesmal mit voller Absicht. Dann packte ich meine Sachen und ging.
    Zerrin Oezkan, Biologin
    Das Gespenst der Kündigung
    Die Wunde am Zeigefinger eines Mitarbeiters, aus der Blut schoss, gab ihm den Rest. Der Werksleiter Werner Torben (57) tippte eine Mail an seinen Geschäftsführer: »Ich kann nicht mehr verantworten, dass meine Mitarbeiter die Personalkürzungen mit ihrer Gesundheit bezahlen. Seit das Sparprogramm vor zwei Jahren begann, ist die Unfallquote in meinem Werk um das Zweieinhalbfache gestiegen. Wir brauchen wieder mehr Mitarbeiter!«
    Die Personalkürzungen hatten einen Teufelskreis ausgelöst. Das Werk sollte dieselben Warenmengen produzieren, mit 15 Prozent weniger Mitarbeitern. Es gab nur zwei Stellschrauben: Die Maschinen mussten schneller laufen. Und die Mitarbeiter mehr arbeiten, Überstunden und Schichtdienste.
    Höheres Tempo und weniger Konzentration: eine tödliche Mischung! Der Betriebsarzt war der gefragteste Mann in der Firma. Ob jemand im Büro oder in der Produktion arbeitete, verriet die Pflasterlandschaft an den Händen. Statt vier Unfällen im Monat,

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