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Bin ich hier der Depp

Bin ich hier der Depp

Titel: Bin ich hier der Depp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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Brief mit der Hiobsbotschaft war vom Arbeitgeber gekommen: Kabel BW . Zwar war die Mitarbeiterin unkündbar, weil sie Betriebsrätin und außerdem schwanger war. Doch anscheinend ging es der Firma nicht um eine rechtssichere Kündigung – die Mitarbeiterin sollte geschockt werden. Das war mehr als gelungen. [58]
    Kabel BW wollte seinen Betriebsrat in die Knie zwingen. Deshalb hatte das Unternehmen den Anwalt Helmut Naujoks engagiert, einen hauptberuflichen »Betriebsrätefresser« (Spiegel Online). Dieses Image hat er sich verdient durch polemische Talkshow-Auftritte, durch Säuberungs-Aktionen in Firmen und durch sein Buch »Kündigung von ›Unkündbaren‹«. Dort erklärt er unter anderem Schritt für Schritt, wie Mobbing einen Menschen bis »in körperliche Erkrankungen, im Einzelfall bis zum Selbstmord(-versuch)« treibt. [59]
    Im Auftrag von Kabel BW überzog Rambo Naujoks die Betriebsräte mit Abmahnungen, Kündigungen, Schadensersatzforderungen. 150 Prozesse strengte er an – und 150 Prozesse verlor er! Doch der seelische Flurschaden, den sein Wüten hinterließ, war beachtlich: Betriebsräte bekamen ihre Kündigungen samstags am Frühstückstisch zugestellt, damit das Wochenende zerstört und die ganze Familie verunsichert war. Laptops wurden eingezogen, Mails kontrolliert und krimireife Szenarien heraufbeschworen: Detektive verfolgten Mitarbeiter, es kam zu nächtlichen Verfolgungsjagden.
    Als der Betriebsratsvorsitzende Ronald Renger sich im Fernsehen kritisch über das Unternehmen äußerte, verklagte ihn die Firma auf 1,3 Millionen Euro Schadensersatz. Das hätte er ein Leben lang abbezahlen müssen. Die Forderung versetzte ihm einen Schock, auch wenn sie juristisch nicht haltbar war.
    Diesem ständigen Beschuss hielt der Betriebsrat nicht stand; er brach auseinander. Ehen gingen kaputt, Familien erlitten Traumata, Betriebsräte mussten in psychologische Behandlung. Und die Mitarbeiter waren ihrer Firma nun ohne den Schutz durch einen Betriebsrat ausgeliefert.
    Nur Anwalt Naujoks rieb sich die Hände, weil er wieder mal den Titel eines seiner Seminare verwirklicht hatte: »Der besondere Kündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern und wie Sie ihn erfolgreich ›durchbrechen‹ können.« [60]
    Hamsterrad-Regel: Einige Betriebsrats-Mitglieder werden von Firmen toleriert. Andere sind noch nicht entlassen.
    Marmor, Stein und Eisen bricht – aber unsere Firma nicht!
    Als die Passagiere vor Panik schon kreischten, als das Heck sich hob und das Wasser bedrohlich gurgelte, da soll die Bordkapelle der Titanic noch gespielt haben – auf Anweisung des Kapitäns, damit die Menschen nicht durchdrehten.
    Nach demselben Prinzip gehen die Kapitäne der deutschen Firmendampfer vor. Wenn die Mitarbeiter von Bord springen wollen, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals steht, trällert ihnen fröhliche Musik ins Ohr: die Firmenhymne. Hunderte deutscher Unternehmen lassen Hymnen für sich schreiben, die den Mitarbeiter daran erinnern sollen, wer die Schönste im ganzen Land ist: seine Firma.
    Und um die Freude perfekt zu machen, darf der Mitarbeiter die Hymne mit einsingen, auch wenn er seine Stimme im Alltag nie erheben darf. Neue Mitarbeiter bekommen diese CD dann als Willkommensgruß in die Hand gedrückt und dürfen bei der nächsten Feier in den Chor einstimmen.
    Natürlich handelt es sich um Liebeslieder, nur dass die Angebetete diese Elogen vorsichtshalber nicht von ihren Mitarbeitern verfassen lässt, sondern von Agenturen, die sich auf klangliche Hofmalerei spezialisiert haben, so von der Audiomarketing-Agentur Ladage Media.
    Mal als Pop, mal als Schlager, mal als Volkslied, so wehen die Gesänge dem Mitarbeiter entgegen. Und was der Borkenkäfer für den Baum, ist der Text eines solchen Liedes fürs Gehirn. Zum Beispiel trällert die Kauflandkette, zu der Lidl gehört, den Song »Ein Lächeln ist mehr wert«. Dort heißt es: »An so ’nem Tag wie heute ist alles drin / Mein Chef, der steht zu mir, weil ich bin, wie ich bin.« [61]
    Alles drin ist bei Lidl tatsächlich, zum Beispiel wurden Mitarbeiter durch verstecke Kameras bis aufs Klo verfolgt, Krankheitsgründe von Mitarbeitern in hausinternen »Stasi-Akten« festgehalten und Betriebsräte zerschlagen, indem ganze Filialen geschlossen oder ausgegliedert wurden. [62] Der Chef, der hier hinter den Mitarbeitern steht, kann nicht nur ein Lied(l) auf den Lippen, sondern auch einen Dolch im Gewande haben.
    Doch Kaufland ist nicht allein, die Fahrzeugindustrie

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