Bin ich hier der Depp
senkte er bis zur Beliebigkeit ab. Schon zu »Qualitätszwecken« – was alles und nichts heißen kann! – soll es erlaubt sein, Aufnahmen zu machen, zu speichern, zu sichten und im Zweifel gegen Mitarbeiter zu verwenden.
Derselbe Entwurf sieht vor, dass Callcenter künftig heimlich die Telefonate ihrer Mitarbeiter belauschen dürfen. Er gestattet Firmen, Bewerber mit Suchmaschinen im Internet auszuspähen (was bislang durch die Rechtspflicht zur Transparenz eingeschränkt war), sie im Vorstellungsgespräch nach ihren Vermögensverhältnissen zu fragen und Mitarbeiter zu ärztlichen Untersuchungen zu kommandieren. Und ganze Belegschaften müssen nun damit rechnen, dass ihr Arbeitgeber sie mit einem Instrument der Terroristenjagd, der Rasterfahndung, bis ins Privatleben überprüft, sofern ein Verdacht besteht auf Untreue, Vorteilsnahme oder Bestechlichkeit.
Herta Däubler-Gmelin ( SPD ), Ex-Justizministerin und Aufklärerin bei Fällen von Firmen-Spionage, nennt den Entwurf eine »Lizenz zum Spitzeln«. Er trage »Verachtung für die Grundrechte von Mitarbeitern geradezu auf der Stirn«, verwende die »üblichen Propagandatricks« und solle nur »gute Stimmung bei der Wirtschaft (…) machen.« [90]
Aldi und Co. werden sich freuen. Kamera frei!
Hamsterrad-Regel: Arbeitsplätze sind nicht mit dem Big-Brother-Container zu vergleichen; das Fernsehen zahlt bessere Honorare!
Deppen-Erlebnisse
Wie sich Detektive über mein Berufsleben hermachten
Dass ich ins Visier von Ermittlungen geraten war, erfuhr ich von meinem Ex-Chef, inzwischen ein Freund. Zuvor hatte ich mich um eine gehobene Position bei einem internationalen Bankhaus beworben. Das erste Vorstellungsgespräch war gut gelaufen. Da rief mein Ex-Chef bei mir an:
»Sag mal, Dieter, was hast du denn Schlimmes verbrochen?«
»Verbrochen? Ich? Nichts!«
»Heute hat mich eine Detektei angerufen. Die wollte hören, ob du goldene Löffel klaust.«
»Du machst Spaß!«
»Ich schwör es dir! Die haben gefragt, unter welchen Umständen du hier weggegangen bist. Und wie ich deinen Charakter so einschätze.«
»Was hast du geantwortet?«
»Ich habe gesagt: Wenn Sie etwas über ihn wissen wollen, dann fragen Sie ihn direkt. Soll ich Ihnen die Handynummer geben? Da war das Gespräch schnell vorbei.«
Ich fand heraus: Alle meine Ex-Arbeitgeber waren mit solchen Anrufen belästigt worden. Ebenso hatten die Detektive meinen Doktorvater behelligt und mehrere Fortbildungsinstitute gelöchert. Eine Großermittlung, bei der jeder Stein meines Berufslebens umgedreht wurde, wohl in der Hoffnung, etwas Unappetitliches darunter zu finden.
Über ihren Auftraggeber schwiegen sich die Detektive am Telefon aus. Ob ich als Versicherungsbetrüger verfolgt wurde, als Heiratsschwindler aufgefallen war oder von Gläubigern gejagt wurde, blieb der Fantasie der Angerufenen überlassen.
Dabei war mein einziges Delikt, dass ich mich bei einer Firma beworben hatte, die das Ausspionieren eines Menschen für eine freundliche Begrüßung hielt!
Ich war anderer Meinung – und zog meine Bewerbung zurück.
Dr. Dieter Haube, Bankmanager
Wie meine Krankheit durch einen Trick öffentlich wurde
Das Angebot der Firma an uns Privatversicherte war großzügig: Wir konnten künftig einen Zuschuss zu unseren Arztrechnungen beantragen. Mehrfach schickte ich Rechnungen an die Personalabteilung. Aber mehrfach wurde mir per Standardformular mitgeteilt, die Übernahme der Kosten sei »in diesem Fall« nicht möglich. Offen blieb, in welchen Fällen und nach welchen Kriterien die Firma Kosten übernehmen würde.
Nach einigen Anläufen gab ich es auf und reichte meinen Rechnungen nicht mehr ein. Monate später machte meine Bandscheibe mal wieder Ärger. Die Firma bekam eine Krankschreibung, ohne Angabe von Gründen. Nach sieben Tagen kam ich zurück. Mein Chef sagte: »Na, wieder Schwierigkeiten mit der Bandscheibe?«
Noch nie hatte ich von meinen Problemen mit der Bandscheibe erzählt! Woher wusste er davon? Die Firma hatte anscheinend die Arztrechnungen genutzt, um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter auszuspionieren. Bei mir gab es zwei Rechnungen zum Thema Wirbelsäule: eine vom Orthopäden und eine vom Krankengymnasten.
War ein Mitarbeiter mit Depression nicht ein Risikofaktor? Sollte eine Frau, die sich auf ihre Fruchtbarkeit untersuchen ließ, noch vor Beginn einer drohenden Schwangerschaft entlassen werden? Und war einer wie ich, den schon mit Mitte 30 die Wirbelsäule plagte, nicht ein
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