Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bin ich hier der Depp

Bin ich hier der Depp

Titel: Bin ich hier der Depp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
Vom Netzwerk:
sich zunächst um andere Dinge als um klingende Telefone. Und möglicherweise hatte der Mitarbeiter – Stichwort Durchfall – um 6 Uhr ein noch dringenderes Geschäft als diesen Anruf zu erledigen. Und was war an einer Krankmeldung mit zehn Minuten Verspätung eigentlich eine »erhebliche« Pflichtverletzung?
    Doch das Königshaus schlug systemtisch mit Abmahnungen zu, zeitgleich gegen eine weitere Betriebsrats-Kandidatin: Angeblich hatte sie, wiederum einen schlappen Monat zuvor, bei einem Testkauf eine Jacke über der Lenkstange eines Einkaufswagens übersehen, Wert: 7,99 Euro. Stimmte das wirklich? Und warum kam die Abmahnung dann erst jetzt?
    Tatsächlich sind bei Aldi scharenweise Testkäufer unterwegs, als Kunden getarnte Spione der Firma, die sich der Kasse in böser Absicht nähern: Sie wollen Waren nach draußen schmuggeln. Dabei tricksten sie mit allen Mitteln der Diebeskunst: Schieben dünne Wurstpackungen unter Kartons, schmuggeln teure Getränkeflaschen zwischen billige oder fahren die unbezahlten Produkte in einem Kinderwagen aus dem Laden.
    Immerhin beweist die Firma durch solche Aktionen ihre kriminelle Energie; sie denkt und handelt wie ein Kleinkrimineller, aber natürlich für einen guten Zweck: um Mitarbeiter des schlimmsten aller Delikte zu überführen, der Unaufmerksamkeit. Dabei hat eine Kassiererin, deren Stau vor der Kasse allmählich so lang wird, dass er im Verkehrsfunk gemeldet werden müsste, vielleicht noch eine wichtigere Aufgaben, als jeden Kunden auf Diebesgut abzuklopfen wie eine Sicherheitsbeamtin an der Flughafenschleuse.
    Die Testkäufer sind Teil einer perfiden Unternehmenspolitik. Wie der ehemalige Aldi-Manager Andreas Straub in seinem Buch »Aldi – Einfach billig!« berichtet, ist es Ziel, möglichst viele Mitarbeiter durch Abmahnungen so dicht an den Rand einer Kündigung zu drängen, dass sie vor lauter Angst bereit sind zu jeder Drecksarbeit, jeder unbezahlten Überstunde, jedem Untertanen-Dienst fürs Königshaus. [83] Und, bei Bedarf, ganz leicht kündbar.
    »Diese Testkäufe finden exzessiv statt, und es wird auch manipuliert«, berichtet Aldi-Insider Straub. »Man konnte bei Detektiven auch extra schwierige Testkäufe für bestimmte Mitarbeiter bestellen.« [84] Wie oft ein Mitarbeiter aufs Glatteis gelockt wird, bestimmt seine Königin. Sicher kein Zufall, dass die Regionalleiterin die Kasse der angehenden Betriebsrätin knapp 20 Mal mit Testkäufern attackierte. Doch es gelang ihr einfach nicht, der Mitarbeiterin so viele Fehler unterzujubeln, dass man sie hätte kündigen können.
    Deshalb versetzte sie die Kassiererin in eine andere Aldi-Region, über 40 Busstationen entfernt. In dieser Verbannung würde es ihr unmöglich sein, den Betriebsrat weiter voranzutreiben. Doch das Arbeitsgericht Darmstadt schritt ein: Es holte die Mitarbeiterin zurück, denn die Gründung des Betriebsrates dürfe nicht behindert werden.
    Am alten Arbeitsplatz wurde die Kassiererin terrorisiert. Jeden Urlaubstag, den sie genehmigt haben wollte, musste sie begründen wie ein Sträfling seinen Antrag auf Freigang. Sogar Elternabende musste sie schriftlich nachweisen.
    Den Todesstoß, die verbale Hinrichtung, übernahm die Königin am Ende persönlich: Sie erklärte die Mitarbeiterin für geisteskrank. Alle in der Filiale würden sie hassen. Die Frau kippte seelisch um. Die Ärzte im Krankenhaus diagnostizierten einen »Nervenzusammenbruch nach Mobbing«.
    Dennoch kämpften die drei Revoluzzer weiter für den Betriebsrat! Doch Mitte Juli – alle drei waren in Urlaub – geschah Merkwürdiges: Kurzfristig wurde eine neue Wahlversammlung für den Betriebsrat einberufen, wieder nahm die Königin teil. Drei Filialleiter landeten im Wahlvorstand. Diese Königstreuen durften vor der Wahl von Filiale zu Filiale touren. Ihre drei überrumpelten Kontrahenten konnten sich zwar aufstellen lassen, saßen aber an ihren Arbeitsplätzen fest.
    Und dann fand die Wahl statt. In dem Lagerraum mit Kamera. Das Ergebnis ist bekannt.
    Hamsterrad-Regel: Der Unterschied zwischen einem Vampir und einem Discounter: Der eine fürchtet das Licht, der andere seine Mitarbeiter. Zur Gattung der Blutsauger gehören sie beide.
    Achtung, versteckte Kamera!
    Wenn ein Prominenter reingelegt und dabei mit versteckter Kamera gefilmt wird, lautet die Frage danach: »Verstehen Sie Spaß?« Und die Promis lachen (fast) immer mit, denn ihre Strapazen werden reich entschädigt: mit einem TV -Auftritt zur besten Sendezeit – und

Weitere Kostenlose Bücher