Bin ich hier der Depp
weniger. Und rekordverdächtig ist es auch, dass sich unter 100 Vorständen nur vier Frauen finden. Zum Vergleich: In Norwegen verdienen Mitarbeiterinnen nur 8,4 Prozent weniger. Und von 100 Managern sind 40 weiblich, seit 2006 eine entsprechende Quote eingeführt wurde. [91]
Die deutschen Unternehmen pinseln ihre Fassade rosa an, sie versprechen Frauen freie Bahn nach oben. Dennoch bleiben die meisten im Erdgeschoss hängen. Dort werden sie von ihren männlichen Chefs für Arbeiten eingespannt, die größtmöglichen Aufwand, aber kleinstmöglichen Ruhm versprechen. Mit vorzüglicher Qualifikation (meist haben sie bessere Noten als Männer), mit großer Gewissenhaftigkeit (meist achten sie auf Perfektion) und noch größerer Bescheidenheit (meist lassen sie den Chef ihre Erfolge als die seinen verkaufen) halten sie die Räder der Firma am Laufen.
Und sogar Akademikerinnen müssen damit rechnen, dass der Chef sie einspannt, um den Tisch im Meeting-Raum zu decken, den Kaffee zu kochen oder noch rasch einen Blumenstrauß für die Frau des Vorstands zu besorgen. »Und könnten Sie mir noch schnell eine Kopie machen? Und den Flug für morgen buchen?« Klar doch!
Aber wenn es um die Macht, das Geld, die Wurst geht, dann bleiben die Männer unter sich. Ihre Netzwerke knüpfen sie wie Spinnennetze übers ganze Land, schachern sich wichtige Pöstchen zu und schotten sich gegen Frauen ab. Wenn sie ihre Köpfe vor dem Meeting zusammenstecken, um schon im Vorfeld zu beschließen, was später angeblich erst beschlossen wird, sucht man nach dem Kopf einer Frau vergeblich. Doch sobald eine Frau ihren Standpunkt im Meeting vertritt, hört ihr entweder keiner zu. Oder ihre Worte werden so lange ignoriert, bis einer aus der Männerrunde genau dasselbe sagt – und dafür stürmischen Applaus der Kollegen erntet: »Bravo, Karl-Heinz, eine vorzügliche Idee!«
Männer scheinen sich einig, dass eine gehobene Führungskraft dreierlei braucht: Durchsetzungsstärke, Kompromisslosigkeit und Bartwuchs! Und ihr erster Knigge-Paragraf, den sie im Umkehrschluss anwenden, wurde von dem Macho Clint Eastwood verfasst: »Wenn eine Frau nicht spricht, soll man sie auf keinen Fall unterbrechen.«
Weil die Männer sich für gute Chefs halten, suchen sie Beförderungskandidaten nach ihrem Vorbild. Eingestellt wird nach dem Ähnlichkeits-Prinzip. In einer Studie der German Consulting Group behaupteten 94 Prozent der männlichen Führungskräfte, »weibliche Talente« stellten im Top-Management keinerlei Mehrwert dar. Die wichtigsten Eigenschaften seien typisch »männlich«. [92]
Wie es auf Bergen eine Waldgrenze gibt, gibt es auf den deutschen Hierarchiegipfeln eine Frauengrenze. Nur ausnahmsweise und meist zu Repräsentationszwecken wird eine Frau von Männerhand ganz oben eingepflanzt – oft eine schwache Frau, die zwar zwischen den Herren sitzt, aber nicht dazwischenredet.
Dass Frauenkarrieren nur spärlich wachsen, lässt sich auch auf der zweiten und dritten Führungsebene beobachten. Denn die unteren Chefs orientieren sich am Verhalten, nicht an den Sonntagsreden ihrer Oberbosse. Wie glaubwürdig wären ein paar besoffene Typen, die in der Bar ein Glas nach dem anderen kippen und sich derweil gegen Alkohol aussprechen? Und wie glaubwürdig sind grauhaarige Vorstands-Herrenrunden, die bei Zigarettenqualm ihre Männerzoten reißen und sich derweil für »mehr junge Frauen in Führungspositionen« aussprechen? Eben!
Hamsterrad-Regel: Frauen sind an der Spitze höchst erwünscht – zum Beispiel an der Spitze der Überstunden-Statistik.
Der Zoodirektor und die Zuchtstuten
Manchmal werde ich von Unternehmen engagiert, um zwischen Betriebsräten und Geschäftsführung zu vermitteln. Letztes Jahr rief mich eine Firma in Hessen an, nachdem der Betriebsrat gemahnt hatte: Mehr Frauen müssen in die Führung! Der Inhaber (68), ein Herr mit rotem Einstecktuch, bat mich: »Finden Sie mal heraus, warum bei uns kaum Frauen nach oben kommen!«
Das Vorgespräch fand in seinem Büro statt. Die wichtigste Frage stellte ich zuerst: »Wie stehen Sie eigentlich zu dem Wunsch Ihres Betriebsrates?«
»Das unterstütze ich! Ich fordere meine Führungskräfte schon lange auf, mehr Frauen nach oben zu holen. Aber bislang trägt es noch keine Früchte.«
»Was genau haben Sie selbst unternommen, um Frauen zu fördern?«
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, er griff einen Ordner vor sich: »Hier! Das ist ein Strategiepapier zu diesem Thema. Wir wollten Ihre
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